Ausblick aufs Eros At Arms 2024

Das Eros At Arms überrascht (nicht überraschend) auch heuer mit einer sowohl eigenwilligen als auch mutigen Programmation, die weit über den metallenen Tellerrand hinauszublicken trachtet.

Geben andere Metal-Veranstalter/innen sich mit Vorliebe linientreu-retrospektiv, vertrauen die Herren BLZR auf ein genreübergreifend interessiertes Publikum. Dass es sich heuer ganz besonders lohnt, verraten wir in alphabetischer Reihenfolge:

ALUK TODOLO stilistisch fassen zu wollen, misslingt bereits im Ansatz. Was daran liegt, dass die Klangwelt der Franzosen sich weniger über Strukturen definiert, sondern Bewegung. Oder aber Klartext gesprochen: Das Trio nimmt dich mit auf eine Peyotl-Reise, dass du Eins wirst mal mindestens mit dir selbst. AT erinnern in ihren Wurzeln an frühe Brainticket oder aber Krautrocker wie Guru Guru. Entsprechend gestaltet ihre Musik sich rituell mystisch schemen-/schamanenhaft, vor allem aber immer wieder neu. Das Einzige, was du mitzubringen hast, ist Zeit und Musse, dich auf ihren Occult Metal einzulassen. Was sich mehr als lohnt!

AMETHYST entführen dich zurück in die Spätsiebziger/Frühachziger, wo britische Welle gerade mal mit Anrollen beschäftigt war. Ihr letztjährig erschienenes 4-Track Demo Rock Knights begeisterte nicht nur HeAvYmeTaL.ch (lies den Albumreview von Hannes), sondern fand weitum Beachtung.

ARSGOATIA spielen furios entstaubten Black’n’Death vergangener Tage. Ihr Debut Hiding Amongst Humans (2023) bricht los wie der berühmte Gewittersturm, dass Wipfel knacken plus sonst so allerhand Unheil geschieht. Es entfaltet sich ein düster böses, von purster Spielfreude (kein Widerspruch!) getragenes Werk. Stilistische Ausflüge in britisches Gitarrendoppelspiel (In The Veins Of The Saints) oder aber doomige Passagen (When Heresy Repeats Itself) zeugen von technischem Können und Variabilität der Salzburger. Auch wenn das Quartett sich stilistisch gewiss noch zu finden hat, schaffen ArsGoatia eine extremauthentische Atmosphäre, die live besonders zum Tragen kommt.

CONCRETE WINDS packen in einen Song, was vielen für ein Album gereichte. Von sirrenden Tremologitarren hin zu malmenden Trommeleskapaden wirst du mit eigentlich nichts verschont, was Komfortzone radikal zerlegt. Ein wenig Katharsis kann eben doch nie schaden!!! Oder in fremden Worten:

«The genre goes by many names—war metal, bestial black-ened death metal, Christblasting necroatomik nuclear goat metal—but it always comes across as punishing and maso-chistic, the musical equivalent of flagellating yourself with a barbed leather whip. AND I FUKKIN LOVE EVERY SECOND OF IT» ( Mark Z., AMG ).

DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT überziehen die Lande seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit rohem, unverblümtem Schwarzmetall, der sich dem Mainstream konsequent verwehrt. Ihre Musik lässt gerade noch das absolut Notwendige zu und entbehrt jeglicher (profanen) Freude oder auch Hoffnung. Frontfrau/Gitarristin Onielars signifikant eindringliche Stimme lassen dich so oder so daran zweifeln, ob Omas Geschichten vom Silberwald tatsächlich der Mythenwelt angehören oder aber frostige Realität (geworden) sind. DNS live zu erleben, kommt einem Ritus gleich, wo dir auch kein Ave Maria mehr weiterhilft.

ENSLAVED gehören zu jenen Bands, die es irgendwie hinkriegen, in Unberechenbarkeit zu altern. Seit Beginn 1991 zeichnen die Norweger sich durch nahezu unersättliche Experimentierfreudigkeit aus, damit einhergehend eine zuweilen «eigene» Instrumentierung. Ihr sechzehnter Longplayer Heimdal (2023) macht hier keine Ausnahme und unternimmt weitere Schritte in eine eher verspielte Prog-Rock Richtung, was von den einen naturgemäss verteufelt, vielen andern mit Weihrauch (oder ähnlichem) bewedelt wird.

GRAVPEL zelebrieren diesen quasi-«true»-Black Metal, wobei die Frage nach Wahrhaftigkeit einem zugegeben so allmählich auf den Wecker geht. Jedenfalls kokettieren die Basler mit einer Art überetikettiertem Schwarzmetall, dass du dich bei gebotener Ernsthaftigkeit fragst, ob dir jetzt gerade wiedermal der (Eulen-) Spiegel vorgehalten wird? Wobei vor lauter Aktionismus zuweilen vergessen geht, dass Gravpel dazu noch verdammt gute Musik machen. Technisch gesehen sowieso, inhaltlich musst du es schon selbst rausfinden, insbesondere aber wird sowas von geradeheraus gebrettert, dass Ausweichen  (auch wenn du dich rückseitig dort beim Zapfhahn versteckst) Null Option darstellt.

HEXVESSEL verschwenden ihre Zeit am allerwenigsten mit Schubladenarbeit, sondern präsentieren Album für Album eine neue Version ihrer selbst. Für Regisseur Mat (Kvohst) McNerneys ist BM denn auch eher eine Frage von Lebenseinstellung als musikalischer Stilisierung. Live präsentieren sie das aktuelle Album Polar Veil (2023), welches instrumentell näher an das dunkle Genre heranrückt als deren Vorgänger. Du wirst mit winterlicher Kälte konfrontiert, die in unseren Breitengraden längst dem Wandel anheimgefallen ist. Also warm anziehen!

LETTEN 94 sind Dolorès (u.a. Triumph of Death) und Freddy Van Ballast. Die beiden spielen minimalistischen Coldwave, dem eine verträumte Note innewohnt. Die Namensgebung verweist auf jene einst grösste offenen Drogenszene Europas, welche bekanntlich mitten in Zürich lebte (und starb). Was für einen kurzen Moment widersprüchliche Blicke auf eine (unsere) Gesellschaft gestattet(e), die mit Vorliebe sich in Postkartensujets zu erbrechen pflegt. Ganz so düster kommt die Musik der beiden dann aber doch nicht daher, im Gegenteil eigentlich recht clean und herausgeputzt. Auf die Live-Versionen ihrer EP Empty Landscapes (2021) plus Coverversionen jedenfalls sind wir totalgespannt!

PERCHTA verinnerlichen die Natur- und Sagenwelt ihrer Tiroler Heimat. Ihr Debut Ufång (2020) vermag vor allem dort zu überzeugen, wo folkloristisch angehauchter Mittempo-BM auf den erdigen Schreigesang (gleichnamiger) Sängerin Perchta trifft. Andere Passagen erinnern im Rituellen fast schon an Heilung. Freuen wir uns auf den Auftritt!

SHE PAST AWAY verschreiben sich dem Dark Wave/Post Punk der Achtzigerjahre, wobei Volkan Caners guttural abgehackten Vocals dem Sound das Besondere verleihen. Zudem er in seiner türkischen Muttersprache singt, was der starren 4/4-Struktur auf die Beine hilft. İdris Akbulut am Bass pflegt seinerseits eine variantenreiche Spielweise, die vor dem Hintergrund programmierter Drums lebhafte Dynamik entwickelt. Auch wenn es den beiden gelingt, eine durchaus eigene Sache zu kreieren, denkst du unweigerlich an die Überväter Sisters Of Mercy oder aber den illustren Gabi Delgado. Was (insbesondere bei Letzterem) nur Gutes verspricht!

SUM OF R bezeichnet ein Projekt von Tausendsassa Reto Mäder, welches vorerst allerlei Metamorphosen durchlaufen musste, um letztlich Bandstatus zu erreichen. Mit Jukka Rämänen (Dark Buddha Rising u.a.) und Marko Neumann (Dark Buddha Rising, Hexvessel u.a.) konnten im Laufe der Zeit zwei namhafte Kollegen dazugewonnen werden, die auf einer transzendenten Ebene zu musizieren vermögen, ohne gleich mit Gebetsglocken rasseln zu müssen. Ihr Sound bewegt sich in durchaus doomigen Tonlagen, angereichert durch psychedelisch-hallbetonte Spielweisen. Live versprechen sie absolute Gänsehautgarantie! Plus: Falls du (wie wohl die meisten unter uns) den jungen Plant nie hast live erleben dürfen, bietet sich dir hier die einmalige Gelegenheit, wenigstens so zu tun als ob. Denn was Neumann auf der Bühne zelebriert, ist an Intensität kaum zu überbieten.

WOLFBRIGADE brauchen kaum mehr vorgestellt zu werden. Auch wenn die Schweden der Harcore (Crust, D-Beat) Fraktion zugerechnet werden, spielen sie unbeschwert harten Rock'n'Roll und erinnern von der Attidüde her kaum zufällig an Motörhead, bloss noch die Spur zorniger. Ein MUST!!!


(Text: C. Sturzenegger, veröffentlicht am 06.01.2024)


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