Drei oder mehr gute Gründe, ans DEMM zu reisen... Teil I

Karsamstag, 30. März 2024 ist es wieder so weit: Am Dark Easter Metal Meeting (DEMM) im Backstage München werden die Verstärker aufgedreht.

Einst bedeutungsschwanger unterlegt, bescherte das Osterfest der Community zumindest jenes Kreuzsymbol, welches kopfwärts gedreht sich in allerhand Logos verpacken lässt. Sowieso kannst du dich fragen, wie Schwarzmetall ohne das heiligste aller christlichen Feste aussähe. Doch für solcherlei Diskussionen fahren wir ja ebengerade ans DEMM, wo man sich beileibe nicht damit begnügt, ein beeindruckendes Lineup zusammenzustellen, sondern zudem Ambiance geboten wird, wo mehr oder weniger Bedeutsames in aller Gründlichkeit erläutert werden kann.

In musikalischer Hinsicht wird denn auch heuer ein ausgewogenes Menü serviert: Vom Schwelgen in Altmeisterei hin zum Osternest unentdeckter Perlen bleibt als grösste Herausforderung die minutiöse Planung der einzelnen Events. Damit dir die Arbeit leichter fällt, ein mehr oder minder subjektiver (und beileibe nicht kompletter) Überblick in zwei Teilen.

TEIL I: Frauenquote & Wein in alten Schläuchen

Frauenpower

Dass Black’n’Death = Männerdomäne, schleckt weder Geiss noch Bock weg. Und doch hat gesellschaftliche Entwicklung vor dem Genre geradesowenig Halt gemacht wie sonst so. Was sowohl im Konsumentenbereich als auch bühnenmässig zu beobachten ist. Dass das DEMM sich diesbezüglich nicht mit Mittelmass begnügt, ist nicht anders zu erwarten. Fünf Beispiele:

Dymna Lotva sind zweierlei. Erstens begnadete Musiker/innen, deren Kompositionen dem Schwarzmetall Weite abzugewinnen vermögen, zweitens können Sängerin Katsiaryna Mankevich und Instrumentalist Jauhien Charkasau mit einer klaren Message aufwarten. In ihrem Werk erzählen sie von Leid, Wehmut und Zorn erfüllte Geschichten ihres Heimatlandes Belarus, dem sie (politisch verfolgt) entfliehen mussten. Das Album The Land Under The Black Wings: Blood stellte ein höchst intensives Highlight des Jahres 2023 dar und will dir wärmstens ans Ohr gelegt sein.

Eine weitere musikalische Perle heisst Sylvaine. Dass der Alcest-Vergleich sich mehr als aufdrängt, kümmert Multiinstrumentalistin Katherine Shepherd (wie auch uns) herzlich wenig, wiewohl auf dem grossartigen Album Wistful (2016)  Neige himself die Felle bearbeitet. Ihr Style kann als äusserst introvertiert bezeichnet werden, wobei es Shepherd gelingt, Gefühlsmomente wie Kino zu orchestrieren, welche von zerbrechlich zart bis zornig rau ein breites Spektrum abdecken.

Ciemra aus Weissrussland präsentieren eine perfekt getimte Hochglanz-BM-Mixtur, die technisch versiert daher kommt. Von schroff-nordischen Riffs über atmosphärische Passagen hin zu nahezu rockigen Einschüben bleibt kaum ein Wunsch offen. Darüber gelegt Malvains wie über Reibeisen gezogene Gesangsstimme, dass dir das Blut ins Stocken gerät. Noch dazu wird gemunkelt, dass das Quintett live totalüberzeuge, also lassen wir uns überraschen!

Perchta aus dem nahen Tirol besingen die Sagen- und Schattenwelt ihrer Heimat, wobei Perchta gleich Mutter Natur, sowohl im Guten wie im Schlechten. Das Album Ufång (2023) vermag vor allem dort zu überzeugen, wo folkloristisch angehauchter Mittempo-BM auf jenen erdigen Schreigesang von Sängerin Perchta trifft. Andere Passagen erinnern im Rituellen fast schon an Heilung. Den Liveauftritt jedenfalls lasse ich mir kaum entgehen!

Fair Of The Forgotten sind ein 2022 aus der Taufe gehobenes RAW-Black Metal Duo. Frontfrau Ynoxia und Kollege F.G. konfrontieren mit eindringlichem Sound à la Frühjahrsgewitter und erinnern stellenweise an Aara und Konsorten. Ihr Debut A Gaze Into Oblivion (2023) überzeugt durch spielerische Qualitäten plus stringentes Songwriting. Auf den DEMM-Auftritt der Lokalmatadoren sind wir mehr als gespannt!

Wein in alten Schläuchen?

Auch die 2024er Edition des DEMM beschert uns eine Anzahl Kappellen, an denen jenes mehr oder weniger vergilbtes Oldschool-Schildchen flattert. Was weder erstaunt noch zu verteufeln sei, den Diskurs um Wein in alten Schläuchen zumindest aber aufs Tapet setzt. Ein paar Anstösse:

1985 gaben Sodom mit der EP In The Sign Of Evil ihren Vinyl-Einstand. Technisch eher unbedarft, überzeugte der Viertracker durch schmutzig-aggressiven Thrash Metal und kann heute zumindest als Manifest (oder aber historisches Artefakt) gehört werden. Am DEMM spielen Angelripper und Kumpels ein ‘80s Old School Set. Zeitreise pur!

Unter dem Namen Treblinka starteten Tiamat eine stilistisch illustre, von zahlreichen Mitgliederwechseln gekennzeichnete musikalische Reise. Von Black’n’Death hin zu Synthesizer-betontem Gothic Rock überwanden sie allerlei Berührungsängste. In München präsentieren die Schweden ein 35th Anniversary Best Of Set.

Benediction stehen für DM since 1989 und da fragt man sich, ob so 'ne Lebensdosis Todesmetall wirklich gut kommt? Mit Scriptures (2020) jedenfalls ist den Mannen aus demKönigreich ein durch und durch solides Werk (mit sog. "catchy" Riffs) gelungen. Auch wenn Reminiszenzen ans (ebenso gealterte) Kollegium unüberhörbar sind, freuen wir uns auf den Auftritt der Altmeister.

Nach über dreissig Jahren Bandgeschichte gelingt es Kampfar noch immer, auf höchstem Niveau zu musizieren. Sphärisch erhabener BM, der dich über peitschende Meere hinweg ins Schlachtgetümmel führt, damit letztlich an den Toren Walhallas sich dein Schickal erfülle. Oder auch nicht. Mit dem Album Til Klovers Takt (2022) bewiesen die Norweger nachdrücklich, dass sie noch immer wissen, wo Thor sein Insignum verlegt hat.

Bewitched transportieren dich dorthin zurück, wo (metallische) Zeitrechnung begann, heisst britische Flut sich zur Welle formierte und Black Metal höchstens mal als Albumtitel für Furore sorgte. Das Quartett spielt abwechslungsreichen Black’n’Thrash mit melodiösen Ansätzen. So oder so stecken die beiden Naglfar-Angestellten Marcus E. Norman und Kristoffer Olivius knietief im Retrogeschäft, was nur Gutes verspricht... Wer die 80er (aus vielleicht konzeptionellen Gründen) verpasst hat, kommt hier auf die genuine Rechnung...

Nocte Obducta kannst du später bei Patrik (Drei oder mehr gute Gründe, ans DEMM zu reisen... Teil II) nachlesen...

Taake starteten ihre Karriere 1993 unter dem Namen Thule. Nach drei Alben, denen Kultstatus nachgesagt wird, wollte Bandleader Høst musikalisch ausser Selbstreproduktion leider nichts mehr so recht gelingen. Mit Kong Vinter (2017) und Et hav av avstand (2023) jedoch spielte er sich in die Herzen seiner Getreuen zurück. Suchst du museumsreif konservierten 2nd Wave Oldschool BM? Hier hast du ihn...

Dass es auch anders geht, beweisen Thy Catafalque respektive Tamás Kátai, der sich nach mehr als 20 Jahren Studioeinsamkeit endlich hatte davon überzeugen lassen, höchstlive aufzutreten. Die Ungarn bieten feinsten Avantgarde  in einer Variabilität, dass dir das Hören vergeht. Wobei es gelingt, straighten, treibenden Metal glaubwürdig mit klassischen, zumeist folkigen Weisen zu verbinden. Album für Album scheint Kreativkopf Tamás aus einem schier endlosen Fundus zu schöpfen, ohne im mindesten seiner ganz eigenen Handschrift untreu zu werden. Für mich ein absolutes DEMM-MUST!!!

Teil II setzt Patrik euch auseinander, zu welchen Klängen du dich guten Gewissens frontrowmässig ins menschliche Getümmel stürzen kannst...