Zurück vom DEMM 2024
Jetzt, wo auch die 50%-Ausverkauf-Hasen aus den Regalen verschwunden sind, bleibt immerhin noch schwelgerische Erinnerung ans Münchner DEMM. Zwei volle Tage BM vom Feinsten, atmosphärisch plus einmal mehr friedlichstes Beisammensein osterresistenter Metalheads.
(Ein subjektiver Tatsachenbericht)
Karfreitag 29. März 2024
Der frühe Vogel fängt den Wurm, so das Motto. Im Mfz unterwegs von Zürich nach München, aus den Lautsprechern Chapel of Desease, Thy Catalfaque oder sonst so DEMM-Musik. Vor/um Austria wie üblich Stau, jenes kurze Stück, wo Pickerl-Frage sich stellt (& immer wieder stellt), die Antwort heisst Nein und basta wenigstens für dieses Jahr. Später auf der A96 nach München hineingerollt, Ankunft Holiday Inn per Parkgarage, anschließend Check-in, Koffer verstaut oder was auch immer du in Hotelzimmern als allererstes tust.
Dann sogleich los Richtung Hirschgarten, wo Bier aus selbst gespülten Massen kredenzt werden will. Und wird. Sonne am Himmel. Lachen in der Luft. Gleich alles ein bisschen wie Ferien.
Karsamstag 30. März 2024
Erst mal Morgenbuffet, wobei Städtetouris aufgrund der anwachsend schwarzen Meute dann doch etwas ins Staunen geraten. Kult? Grablegung? Sonst was Orthodoxes? Von allem ein bisschen, beschliessen wir, plus irgendwie Selbsthilfegruppe.
Anschließend Kulturstadt München wie Hexen in Ghana im Haus der 5 Kontinente und/oder aber Distinktion Hexen & Hexen ganz allgemein. Nachmittags dann endlich im Backstage unter Schatten spendende Lauben, dazu kühles Bier, Radler oder sonst so Flüssiges. HeAvYmeTaL.ch im Übrigen zahlreich vertreten, dass die eine Bank eigentlich kaum reicht, um alle schön säuberlich aufzureihen.
Zum ersten Mal laut wird's mit Grand Cadaver. Die Nordländer präsentieren schwedischen Todesmetall mit allem, was dazu gehört, denn Mikael Stanne (Dark Tranquillity u.a.) plus namhafte Freunde aus alten Tagen wissen, wie man Songs bastelt, vor allem aber diese auf die Bühne bringt. Eine Hommage an dunkle Neunziger, bloss halt ohne jenen noch-nie-gehört-Effekt. Jedenfalls ein gebührender Opener, woran überraschend viele Begeisterte teilnehmen.
Anschliessend Theotoxin, welche die mehr als gut gefüllte DEMM-Halle mit abwechslungsreichem, präzise gespieltem BM vom Feinsten bedröhnen. Mit Fragment : Totenruhe (2022) spielten sie ein vielbeachtetes Werk ein, heuer zeigen sie, dass Live eben noch ganz anders geht. Ein cooles Set!
Mit unprätentiösem BM haben Nocte Obducta sich ihre ganz eigene Nische geschaffen. Seit mehr als dreißig Jahren durchwandern die Mainzer diverse stilistische Gefilde, ohne jedoch sich selbst gegenüber je in Untreue zu verfallen. In der schweißtriefenden DEMM-Halle erleben wir ein extremauthentisches, durchgehend bruchfreies Set, wozu du am liebsten jenen oder diesen (du weisst schon!) einladen würdest, um aufzuräumen mit zum Beispiel werweisswievieltem-Wellengequatsche. Oder wie echt echt eben sein kann... Als das Quintett ihr Programm beschliesst, tropft es regelrecht von der Decke.
Zum Glück wahrhaft Tüchtiger gehört eben auch das nachträgliche Ergattern eines Tisches im Nachtbiergarten. Im Hintergrund Letztjahrtausend-Musik, produziert kurz nach der Erfindung des Gitarrenverstärkers. Jimi du weisst schon, TP und die Herzbrecher oder Manzarek an der Hammond Orgel, während einer vom Ende singt, kriechenden Schlangen oder was weiss ich? Jedenfalls urgemütlich.
Um 20 Uhr folgen Taake, die ja fast schon zu den irgendwie Grossen (oder wenigstens grossen Verkannten) gehören. Mit Et hav av avstand (2023) führen die Mannen um Høst ein jedenfalls beeindruckendes Argument mit im Gepäck. Bereits zum zweiten Mal am DEMM, überzeugen die routinierten Norweger, wobei es den ihnen gelingt, ohne Pomp eine nahezu phantastische Stimmung zu generieren. Kurz: Erwartungen werden vollumfänglich erfüllt.
(Im Vorfeld des Auftritts wurden übrigens Forderungen formuliert, den Auftritt der Band aus Gesinnungsgründen abzusagen. Eine ausführliche, wie üblich nachvollziehbare Stellungnahme des Backstage findet ihr HIER. Davon könnten manche Veranstalter/innen sich ein Stück abschneiden!)
Im Club geht’s weiter mit Dymna Lotva, deren Auftritt zumindest ich mit Spannung entgegenhöre. All ihren Alben liegt eine lebensnah dramatische Stimmung zugrunde, die stets in einer klaren Aussage gipfelt. Das aktuelle Album The Land Under The Black Wings: Blood (2023) thematisiert die Nazi-Okkupation ihres Heimatlandes Belarus. Mit dem russischen Einfall in der Ukraine erhielt das bereits 2016 konzipierte Werk zusätzliche Aktualität. DL, insbesondere Sängerin Nokt, hält mit politischen Aussagen keineswegs zurück, was von der Szene so oder so aufgenommen wird. Die Band beginnt ihr Set mit Come And See und spielt sich durch Songs ihrer beiden The Land Under The Black Wings-Scheiben (Ausnahme: Funeral Of The Ground). Nokts Stimme stellt in allen Lagen und Timbres eine totale Wucht dar. Höchstakkurat singt, schreit und krächzt sie sich durch ihre Stücke hindurch und steht bald als zürnende Göttin über dir, kniet marienmäßig betend im Schatten der Drums oder wälzt getroffen sich auf den Brettern. Wobei Frage sich stellt, ob die ihren Alben innewohnende Kraft es überhaupt nötig hat, additiv 'inszeniert' zu werden. Dazu noch mit dem Risiko, dass Drama die Grenze zum Spektakel passiert, was keinesfalls im Sinne Nokts sein kann. Auf jeden Fall aber stellen DL ein Highlight dieses Festivals dar!
Als 21:50 Tiamat die Bühne betreten, ist eigentlich dann gut (für mich). Kulinarische Bedürfnisse stehen klarim Vordergrund und sowieso wird draußen auf der Leinwand Bundesliga übertragen.
Ostersonntag 31. MÄRZ 2024
Sommerzeit gleich Biorhythmus minus sechzig Minuten, was den Tag nachhaltig verfrüht. Punkt 13 Uhr jedenfalls treffen wir uns zum Gespräch mit Eïs, jener Band, die später ihr Album Galeere zum Besten geben wird. (Das Interview kannst du demnächst HIER nachlesen.)
Doch erst zu Perchta, die ihren Auftritt in der Halle absolvieren. Ihr Erstling Ufång beschert dir jene knisternd delikate Momente, dass unversehens du dich in der Zwischenwelt wähnst. Auch wenn der berühmte schwarze Faden sich meinem Empfinden nach da und dort zu verlieren droht, besticht der Longplayer durch Frische und Authentizität, was im Gros der Genre-Erscheinungen mehrheitlich vermisst werden kann. Die Frage jedoch, ob es denn gelingen mag, die Transzendenz des Albums in den kahlen DEMM-Saal zu transportieren (ohne ins aufgesetzt Rituelle à la Heilung abzudriften), erweist sich kurzerhand als unnötige Grübelei. Denn spätestens als Perchta die Bühne betritt, wirkt das Atmosphärische gleich kübelweise. Der Sängerin (fototechnisch eher ungeschickt sich stets hinter dem aufwändig arrangierten Mikroständer versteckend) jedenfalls möchtest du dergestalt auf keinen Fall zum Beispiel beim Waldspaziergang begegnen. Nebst der stimmlichen Darbietung, die keinerlei Mängel offenbart, nimmt sie eine geheimnisvoll distanzierte Rolle ein, die du ihr ganz einfach abnimmst. Entrückt in sich hineinlächelnd, vermittelt Perchta den Eindruck, jene Sache mit dem Schicksal irgendwie besser verstanden zu haben als etwa du. Dasselbe in Körperhaltung und Gestik. Hinzu kommt, dass der Ablauf insgesamt funktioniert, Schwarzmetall sich optimal verwebt mit jener Tiroler Geisterwelt: Wesen, die zweifelsohne mitgereist sind.Fazit? Für mich der mitreißendste Auftritt des Festivals. Ihr neues Album D’Muata erscheint übrigens im Juni bei Prophecy, worauf wir höchstgespannt sind!
Anschliessend wird an der Werkbar degustiert oder draussen Sonne genossen. Festivalstimmung gestaltet sich einmal mehr superfriedlich, dass du natürlich gleich an Weltfrieden denkst - die dort beim WEF (oder sonst wo) besser ein wenig Schwarzmetall hören sollten...
Um 17:15 dann Eïs in der proppenvollen DEMM-Halle. Die Veröffentlichung ihres Standardwerks Galeere liegt gute 15 Jahre zurück, das Werk jedoch ist optimal gealtert und fraglos noch immer auf der Höhe der Kunst. Du brauchst bloss reinzuhören, um Meerschaum zu schmecken… Zwischenzeitlich ergaben sich bandintern stete personelle Änderungen, dass ausser Alboîn heuer eine Crew auf der Bühne steht, die sich an den Release von Galeere höchstens noch aus Außenperspektive erinnert. Bühnenmittig steht ein veralteter Volant, der als Mikroständer fungiert, die Anwesenden werden mit Blaulicht und Magentatönen geflutet. Wie angesagt spielen die versierten Deutschen sich konsequent durch ihr Werk, was nicht bloss adäquat rüberkommt, sondern überaus kräftig und hochpräzise. Ein Gourmet-Stück, mal so gesehen...
20:55 folgen Phantom Winter, deren Longplayer Her Cold Materials (2023) ein indiskutables (!) Highlight des vergangenen Jahres darstellt. Ein Album jedenfalls, welches sowohl musikalisch als auch inhaltlich total zu überzeugen vermag. Text und Komposition gehen Hand in Hand, wobei es den Würzburgern gelingt, kompromisslose Härte in einer Art Feinheit zu performen, dass die Zerrissenheit der Coming of Age-Thematik unmittelbar erlebt wird. Stilistisch bewegen sie sich irgendwo im Post-Metal Bereich, wobei die Eigennennung Winterdoom mir eigentlich am besten gefällt. Live prügeln die Herren los, als ob es kein Morgen gäbe, wobei Krank und Schmittfull an den Mikros ein sattes Duo darstellen. Auch wenn sie sich zuweilen 'tonal verpassen‘, tragen die beiden wesentlich dazu bei, dass der Auftritt zu einer durch und durch INTENSIVEN, extrem druckvollen Darbietung gerät. Boah!!!
Als Letztes noch der Weg ins Werk, wo Sodom angesagt sind. Und ja: In den Achtzigern schielte jede/r Metalbegeisterte dann so ein wenig Richtung Ruhrpott, wo eine Horde Langhaariger sich daran machte, Vorbilder wie Motörhead, Maiden oder Priest radikal zu dekonstruieren. Wobei es ihnen gelang, einen eigenständigen Sound (wenn du so willst) zu schaffen, der mindestens in den Anfangsjahren einer gewissen (musikalischen) Unbedarftheit entsprang. Die Gelsenkirchener Sodom haben hierzu ein paar akustische Artefakte beigetragen, welche heute eben vorgestellt werden wollen. Auf der Bühne liefert das Quartett um Tom Angelripper saubere Handwerkskost und thrasht sich durch die (nicht ganz so konsequente) Setlist, dass es eine wahre Freude ist. Wer denn zuweilen damit hadern sollte, dass guter alter Rock'n'Roll sich klammheimlich aus der Metallmusik verabschiedet hat, gönnt sich hier nichts weniger als die Frontrow! Sodom spielen dreckigen Geradeherausmetal der wahrhaften Sorte, natürlich nicht ohne Augenzwinkern...
Fazit
Für einmal mehr erlebten wir am DEMM zwei genial entspannte Festivaltage, wo ganz einfach alles stimmte.
- Erstens Musik, welche auf gewohnt sehr hohem musikalischen Niveau sich bewegte, dazu noch in einer Breite, die auch für Entdeckungen gut ist. Einzig dem Experimentellen kann für meinen Geschmack künftig (wieder) etwas mehr Raum zugestanden werden.
- Zweitens die gemütlich verwinkelte Location des Backstage, welche ihresgleichen sucht. Was dir eben jenes Auszeitfeeling beschert, was sich dann wie Ferien anfühlt.
- Drittens das Soziale, weil du da und dort Menschen (wieder-) triffst, neue kennenlernst, ...aber auch im Rahmen unserer "Crew" von HeAvYmeTaL.ch. War megacool mit euch Leuten, hoffe wir sehen uns nächstes Jahr wieder dort!!!
(Text: C. Sturzenegger, veröffentlicht am 15.04.2024)
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