Manuel von Zeal & Ardor: «Ich freue mich, dass die Schweizer Metal-Kultur an Resonanz gewinnt!»

Black Metal und Gospel – passt nicht? Doch: wird von Kreativkopf Manuel Gagneux aus Basel passend gemacht. Er steht hinter dem Projekt ZEAL & ARDOR, das mit einem kuriosen Musikgenre-Mix die Metal-Welt aufmischt und weit über Szenegrenzen hinaus mediales Interesse erregt. Christian, Patrik und Tomi von Heavymetal.ch haben Manuel kurz vor der allerersten, ausverkauften ZEAL & ARDOR-Live-Show im Rahmen des CZAR-Fests in der Kaserne Basel für euch interviewt. Im bunt angemalten Sitzkarussell auf dem Spielplatz vor der Konzertlocation machte man es sich bequem und wollte von Manuel unter anderem wissen, wie er die Reaktionen auf seine unkonventionelle Musik erlebt, welche Erfahrungen er mit Rassismus macht, wie sich die Transition vom Ein-Mann-Projekt zur sechsköpfigen Band auf das Songwriting auswirkt und welche Musiktipps Manuel der Heavymetal.ch-Community ans Herz legen will.

Heavymetal.ch: Danke, dass wir dich interviewen dürfen! Als Non-Profit-Verein verfolgt Heavymetal.ch das Ziel, Metal-Bands und die Metal-Szene in der Schweiz zu fördern. Aber eigentlich hast du das gar nicht mehr nötig: Der Hype um dein Projekt ZEAL & ARDOR hat bereits Mainstream-Medien wie 20 Minuten und die Neue Zürcher Zeitung erreicht. Wie gehst du damit um, dass plötzlich «all eyes on you» sind?

Manuel Gagneux: Es ist crazy, aber im Alltag merkt man das kaum. Ich gehe ja immer noch zu meinen Kollegen eins trinken, dann machen sie doofe Witze über mich. Nur wenn ich die Zeitung aufmache und mich selbst darin sehe, fühlt es sich etwas komisch an, aber so oft passiert das auch wieder nicht. Es ist also wirklich noch ertragbar (lacht).


In einem Interview sagtest du, du hättest am Anfang von ZEAL & ARDOR deine Person eher nicht in den Vordergrund stellen und anonym bleiben wollen, aber dann kamen laufend mehr Infos über dich an die Öffentlichkeit...

Ja, das ist ein bisschen in die Hose (lacht). Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass man Musik hört, weil man die Musik selbst toll findet und nicht die Person. Ich glaube, dass ich deswegen auch nicht in einem Videoclip vorkommen will, zudem steht jetzt eine sechsköpfige Band hinter dem Projekt. Ein gewisses Mass an Anonymität ist immer noch gegeben, wenn auch nicht soviel, wie ich es gerne hätte.


Du hast dann relativ schnell auf eine transparente Kommunikation gesetzt und teiltest beispielsweise auch die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte von ZEAL & ARDOR, zu dem dich der Austausch auf der Plattform 4chan inspiriert hat. Hast du auch mit dem Gedanken gespielt, dies und deine Identität ähnlich wie die Band GHOST möglichst geheim zu halten?

Das war eigentlich am Anfang der Plan, ja! Aber dann schrieb die «Tageswoche» einen Bericht, dass ein gewisser Manuel Gagneux, der aus diesen und jenen Projekten bekannt sei, hinter ZEAL & ARDOR steckt. So ging es mit der Anonymität in die Hose (lacht). Es ist ein zweischneidiges Schwert. So wie es jetzt ist, kann man nicht irgendeinen Quatsch über mich und mein Projekt schreiben, ohne dass ich darauf antworten kann. Zur Zeit wird auf der Plattform Tumblr beispielsweise der Ausdruck «cultural appropriation» verbreitet; damit ist gemeint, dass man irgendeine Kultur vereinnahmen oder gar missbrauchen würde. Mit diesem Begriff habe ich extreme Probleme: Dahinter steht ein regressiver Gedanke und ich finde, Kultur sollte offen sein! Wenn ein Asiate an meiner Stelle das Album gemacht hätte, würde ich das super finden. Und solche Dinge kann ich jetzt offen kommunizieren.


Wenn wir schon beim Thema sind: Bei ZEAL & ARDOR kommen stark mit der afroamerikanischen Gospel-Kultur assoziierte Spiritual-Vocals zum Einsatz. Du hast in den USA gelebt, wo Rassismus ein anderes Kaliber hat und von wo aus vor zwei Jahren ein Raunen durch die Metal-Welt ging, als Phil Anselmo von PANTERA mit seinem «White pride incident» für Diskussionen sorgte und Metal-Persönlichkeiten begannen, sich dezidiert von Anselmo und dessen rassistischen Tendenzen abzugrenzen. Wie hast du das erlebt, und wie erlebst du Rassismus in der Schweiz?

Also die Phil Anselmo-Geschichte war schon komisch, und dann noch sein schräges Entschuldigungs-Video, das er im Anschluss veröffentlicht hat... (lacht). In der Schweiz ist es in Sachen Hautfarbe relativ easy. Ich werde vielleicht ein bisschen öfter von der Polizei angehalten, aber im Prinzip ist es nicht so ein Problem. Man muss dazu sagen, dass ich perfekt Schweizerdeutsch spreche, zudem bin ich «nur halb-schwarz». In den USA, also in New York, wo ich gelebt habe, ist das klar etwas anderes. Kaliber ist da ein gutes Stichwort, weil sie natürlich schnell einmal ihre Knarren zücken.


Deckt sich der schwierige Umgang mit Rassismus in den USA mit deinen Erfahrungen?

Ein Stück weit, ja. Ich will keineswegs sagen, dass sich die Schwarzen in den USA rächen sollten oder dergleichen. Ich möchte lieber einen Hippie-Gedanken verfolgen, so wie mit meiner Musik: Man kann doch alles zusammenmixen und zum Beispiel die «weisseste Musik» des Planeten – also Black Metal – mit der schwarzen Musik zusammenzubringen (lacht).


Was bedeutet dir in diesem Zusammenhang Robert Smalls und warum ist sein Portrait auf dem ZEAL & ARDOR-Albumcover?

Er ist einfach ein «Badass-Dude»! Ein afroamerikanischer Sklave, der sich nicht nur selbst aus der Sklaverei befreite, sondern auch ein Schiff stahl, weitere Sklaven befreite und anschliessend politisch aktiv war; in einer Zeit, in der all dies für Schwarze fast nicht möglich war. Im modernen Satanismus geht es ja um das Ego, die Selbstverwirklichung des Individuums und so weiter. Robert Smalls hatte in Bezug auf diese Themen klare Linien. Ich will jetzt natürlich nicht sagen, dass Smalls tatsächlich ein Satanist war; aber er hätte ein prächtiger sein können (lacht).


Du bist ja ein grosser GOJIRA-Fan. An ihrem Konzert kürzlich im Palais X-Tra in Zürich lief ein Lied von dir und du warst im Publikum – we weren’t stalking you, aber wir glauben, dich gesehen zu haben (lachen)  – jedenfalls: Wie hat es sich angefühlt, deinen Song im Vorprogramm zu hören?

Mega komisch! Ich kenne Joe (Duplantier, Sänger und Gitarrist bei GOJIRA, Anmerkung von Heavymetal.ch), durfte GOJIRA auch Backstage besuchen. Joe findet die ZEAL & ARDOR-Musik toll, zudem haben wir die gleiche PR-Frau. Joe lässt den Song anscheinend auf der aktuellen Tour in der Musik-Routine vor den GOJIRA-Gigs stets laufen. Abgesehen davon, dass die GOJIRA-Mitglieder brillante Musiker sind, sind sie auch mega gute Menschen!


Im Februar 2017 hast du unabhängig vom Album den Song «Don’t you dare» veröffentlicht. Können wir bald mit weiterem, neuem ZEAL & ARDOR-Material rechnen?

Es ist mir ein Anliegen, dass das neue Material nicht «scheisse» wird, ich will daher nichts hetzen. Wir mussten ohnehin neues Material schreiben, weil das Album bloss 20 Minuten umfasste und mit einem 20 Minuten-Set kann man am Roadburn nicht auftreten (lacht). Deshalb haben wir jetzt etwa neun neue Songs fertig gestellt, und nun geht es darum, die «Lieblingssongs» herauszufiltern und ins Konzept einzuarbeiten.


Auf dem aktuellen Album «Devil is Fine» hast du alle Stücke selbst komponiert. Wie wird sich das mit der künftigen, sechsköpfigen Band ändern? Werden die neuen Bandmitglieder Einfluss haben aufs Songwriting? Gelten sie als Session- und Tour-Musikerinnen und Musiker oder was ist ihre Rolle?

Das sind alles Freunde von mir, sie sind sicher so lange dabei, wie sie wollen und Lust haben. Sie haben schon Einfluss, aber das Songwriting mache ich weiterhin eher allein. Allerdings: Ich werde zum Beispiel vom brillanten Schlagzeuger, der vieles auf dem Schlagzeug spielt, was ich alleine am Computer natürlich nicht kann, ermahnt, wenn etwas nicht geht, und ich muss ihm dann natürlich recht geben... (lacht)


Nach dem Tour-Auftakt heute folgen ein paar Gigs an renommierten Locations und Festivals. Auf welche freust du dich am meisten? Du hast das Roadburn erwähnt, das eine gewisse Adelung darstellt...

Ja, ich freue mich enorm aufs Roadburn! Natürlich habe ich auch Schiss, weil dort so etwas wie Götter auftreten. Schade ist nur, dass wir zeitgleich wie BARONESS spielen, gerne hätte ich sie live gesehen. Aber ich freue mich selbstverständlich auch, dass zum Beispiel SCHAMMASCH dabei sind. Sie sind awesome, sie spielten letztes Jahr hier am CZAR-Fest. Allgemein freue ich mich, dass die Basler oder Schweizer Metal-Kultur an Resonanz gewinnt.


Spannend ist ja, dass vor allem in Basel so viel läuft, da sind wir aus Zürich schon fast etwas neidisch (lachen). Letzte Frage: Musik-Tipps by Manuel? Hast du in der letzten Zeit etwas entdeckt, dass du der Heavymetal.ch-Community empfehlen willst?

Ich höre fast nur noch GHOST BATH! Sie haben kürzlich etwas Neues rausgebracht, das echt stark klingt. Ansonsten höre so viel zur Zeit, ich bin etwas überfordert damit, etwas herauszupicken (lacht). Ja, SCHAMMASCH! Hört deren neues Album «Triangle». Und BÖLZER! Das sind ja bloss zwei Typen, mit Drums und einer 16-saitigen Gitarre oder was auch immer das ist, ein riesiges Brett, das ist unglaublich! (lacht)


Tomi Metalić, Heavymetal.ch-Redaktion
Christian Renner, Patrik Weber, redaktionelle Mitarbeit


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