Metal-Kneipe in Basel: «Eine Bar zu betreiben ist IRRSINN!»
Just an dem Abend, als die Zürcher Metal-Bar «Ebrietas» ihr fünfjähriges Bestehen feierte, begaben sich Christian, Patrik und Tomi von Heavymetal.ch nach Basel, um unter anderem das dortige Kneipenpendant namens «Irrsinn» abzuchecken. Sie erlebten als Metal-Touristen in Basel so einiges und bereuen nichts. Oder doch?
Als wir an einem verregneten Samstag die «Irrsinn» an der Rebgasse 43 in Basel betreten, sind wir nicht weiter überrascht, dass wir die ersten Gäste sind: Für einen Barbesuch sind wir ungewöhnlich früh dran. Aber wir haben an dem Abend noch einiges vor. Red Fang, die mit ihrem aktuellen Album «Only Ghosts» auf Tour sind, beehren als Headliner des Stoner Festivals «Fuzz Jam» die Bühne der Z7-Konzertfabrik. Wir freuen uns schon lange auf diesen Gig, die Tickets wurden vor Monaten gekauft und der Entschluss gefasst, das Ganze mit einem Besuch der Bar «Irrsinn» zu kombinieren. Bier, Essen, Konzert – soweit der Drei-Punkte-Plan für unseren «Heavy Metal Tourism» in Basel.
Basel als «metal place to be»
Spätestens seit das dort angesiedelte Label «Czar of Bullets» innovative und kreative Metal-Bands und Projekte wie Zeal & Ardor, When Icarus Falls & co. fördert und dafür auch von etablierten Kulturinsitutionen Anerkennung bekommt, gilt Basel als eines der «metal places to be» in der Schweiz. Und das sagen wir – drei Züri-Menschen – zugegeben nicht ganz frei von Neid (lest dazu auch: HeAvYmeTaL.ch-Interview mit Manuel Gagneux von Zeal & Ardor). Dass genau zu dem Zeitpunkt unsere Metal-Bar in Züri fünf Jahre Geburtstag feiert und wir nicht dabei sind, stimmt uns zusätzlich nachdenklich. Zu Beginn unseres Gesprächs mit Mitch und Tizi, die an diesem Abend hinter der Irrsinn-Bartheke für das Gästewohl zuständig sind, erwähnen wir unseren Loyalitätskonflikt: Tizi bedankt sich nun umso mehr für unseren Besuch und bemerkt, dass sie in gutem Kontakt zum Zürcher «Ebri» stehen, worauf wir uns etwas entspannen. Nach einer Runde des würzigen, ungefilterten, in Genf gebrauten Bio-Biers «Calvinus» fühlen wir uns noch wohler. Die schummrige Atmosphäre sowie der Anblick kleiner Metal-Paraphernalia wie einer Flasche Marilyn Manson-Absinthe sind dem Wohlbefinden weiter zuträglich.
Warum eigentlich «Irrsinn»?
Wir nutzen die Gelegenheit und fragen die Crew: Wie kommt man eigentlich darauf, sein Lokal «Irrsinn» zu nennen? «Naja, heutzutage eine Bar zu betreiben ist ‚Irrsinn’!», grinst Mitch, einer der Barbetreiber. Für ihn als Quereinsteiger gilt dies noch mehr als für seinen Kollegen Päsci, der sich im Gastro-Gewerbe eher auskennt. Tizi, die erst seit Anfang Jahr dabei ist im Bargeschäft, pflichtet bei. Weshalb machen sie es trotzdem? «Wir wollten es versuchen und sahen im Lokal hier eine Möglichkeit, unsere Vision umzusetzen – also nutzten wir diese Chance. Wir kommen aus der Punk-Szene, waren in besetzten Häusern aktiv und sind im Allgemeinen dem Alternativen zugetan. Das spiegelt sich in unserer Song-Auswahl: Ob nun Punk, Glam-Rock oder Black Metal – wir hören alles und lassen es hier auch laufen», hält Mitch fest. Somit besteht ihre Klientel hauptsächlich aus Alternative- und Metal-Fans? «Nicht ausschliesslich», erläutert Tizi: «Klar, es gibt immer wieder Barbesucherinnen und Barbesucher, die zu uns kommen und sich für den Sound bedanken, weil sie froh sind, dass überhaupt irgendwo Metal läuft. Aber bei uns sind alle willkommen. Insbesondere Liebhaberinnen und Liebhaber von Cocktails!»
Was darf es sein: Bier, Met, oder gar ein Cocktail? Mitch und Tizi hinter
der Irrsinn-Theke haben für jeden Geschmack den passenden Drink.
Cocktails?! Für Metalheads?!?
Cocktails seien schliesslich ihre Spezialität. Wir werden stutzig. Cocktails? Sind das nicht diese bunten Mixgetränke in seltsam anmutenden Gläsern, die komplizierte Namen tragen und in Bars – zumindest in der Stadt Zürich – gefühlte siebzig Franken pro Einheit kosten? Vorsichtig fragen wir, ob es nicht zu unkonventionell, wenn nicht sogar risikoreich sei, ein Cocktail-Konzept mit den hierzulande eher bierliebenden Metal-Menschen vereinen zu wollen. Wir verleihen unseren Vorbehalten Nachdruck, indem wir drei «Brandlöscher» bestellen. Mitch grinst, als höre er solche Bedenken nicht zum ersten Mal und erklärt: «Klar ist es eher unkonventionell, aber das sind wir auch. Ausserdem lieben wir die Herausforderung, für Leute Cocktails zu mixen, die nicht von sich aus darauf abfahren würden, aber offen sind für Neues. Den unerschütterlichen Bierfans bieten wir ein Craft-Bier-Sortiment, das sich sehen lassen kann.»
Ein Gastro-Hype namens «Craft Bier»
Im Anschluss ans Stichwort «Craft Bier» wundern sich alle über dessen Mainstreamtauglichkeit, die sich inzwischen beispielsweise daran erkennen lässt, dass fast jede Coop-Filiale mit auserlesenen Biertropfen aufwartet. «Das kam auch für uns völlig überraschend», bemerkt Mitch und lacht: «Als wir für unsere Karte Biere suchten, war der Craft-Hype noch nicht abzusehen. Deshalb war es ein ähnlich grosses Risiko wie die Cocktails.» Das Phänomen Craft-Bier zeigt, wie unvorhersehbar Gastro-Hypes und Trends sind, weshalb eine Diversität im Getränkeangebot von Vorteil sein kann. Wer weiss, ob als nächstes statt India Pale Ale nur noch Aperol Spritz geschlürft wird? So oder so, die Irrsinn-Bar hat einiges zu bieten: Neben den erwähnten Craft-Bieren und Cocktail-Klassikern befinden sich eigene Kreationen, darunter rauch selbstgebrannte Spirituosen auf der Getränkekarte.
Die Bierauswahl überzeugte uns - Cocktails schlürfen wir beim nächste Mal.
Vom «Loch» und dem «Klingeli»
Fans von Live-Musik im intimen Rahmen sowie Musikerinnen und Musiker dürfte interessieren, dass im «Loch», wie Tizi und Mitch den unteren Stock der Irrsinn-Bar liebevoll nennen, auch Parties und Konzerte stattfinden: «Wir haben einen Veranstaltungskeller, den wir zu günstigen Konditionen vermieten.» Beim Thema Konzerte schauen wir auf die Uhr und stellen fest, dass wir zeittechnisch im Verzug sind mit unserem Drei-Punkte-Plan: Zeit, sich zu verabschieden, auf uns wartet Punkt zwei, das nicht weit von der Irrsinn Bar entfernte Restaurant «Klingental». Tizi und Mitch gratulieren uns zu unserer Wahl und versichern: das «Klingeli» sei ausgezeichnet.
Wir bereuen (fast) nichts
Drei Hackbraten später sind wir absolut einverstanden und bereit für Punkt drei: Red Fang. Pratteln, wir kommen! Die Zugfahrt nutzen wir für eine Zwischenbilanz und halten bierselig fest: Unser Metal-Ausflug nach Basel hat sich voll gelohnt! Biertechnisch und kulinarisch – wir bereuen nichts! Doch kaum sind wir im Z7 angekommen, dämpft der Anblick dort verkaufter Dosen-Lagerbiere unsere Euphorie. Sehnsüchtig erinnern wir uns an die Irrsinn-Getränkeauswahl und bedauern, nicht mehr davon probiert zu haben. Vielleicht sogar auch den einen oder anderen Cocktail.
Text / Redaktion: Tomi Metalić
Redaktionelle Mitarbeit: Christian Renner, Patrik Weber
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