Im Gespräch mit Syvään

Manchmal bricht der Tag heran, wo unversehens du über eine Perle stolperst. So etwa das Album Anta von SYVÄÄN aus Zürich, welches in Eigenregie produziert und auf dem hauseigenen Label Desert Engine Records veröffentlicht worden war.

SYVÄÄN sind Rolf Brunner, Marko Thümmler plus der später hinzugestossener Michael Greilinger. Rolf war mal bei Bloodstar, jener fulminanten Band aus den Achtzigern, wo Micha noch die Saiten zupfte, ihrerseits verpartnert mit Marko, der selbst wiederum einen weiten Weg hinter sich hat. Vom östlichen Deutschland über Umwege ins Appenzellische bis hin zum syväänschen Gitarrenverstärker. Überhaupt betreibt Marko das Klampfenspiel erst seit fünf oder sechs Jahren, ein Grund, weshalb es eben fast nur gut kommen kann. Oder besser noch!

Zum Trio wird das Duo mit Michael aus der Nachbarschaft, den anzutreffen man sich bereits gewohnt war. Auf der Strasse. Beim Einkaufen. Erst an einem Konzert in Schaffhausen dann kommt man aber in Austausch. Seit geraumer Zeit improvisierten Rolf und Marko an Songmaterial herum, was zusehends sich verfestigte. Mit dem Lockdown dann war die Zeit angebrochen, das Album zu vervollständigen. Was Anta eben anzuhören ist, jenes verinnerlicht Gereifte, von dir und mir nachvollziehbar-Mitzuerlebende. Syvään ist Musik von Menschen, die sich nahestehen, gegenüberstehen, die voll und ganz sich akzeptieren.

«Mach was Eigenes und es wird interessant»,
meint Marko im Verlauf des Interviews, womit im Grunde bereits alles gesagt wäre. Oder fast.


DAS INTERVIEW

Folgend eine eher thematisch denn chronologisch gebündelte Transkription eines mäandrierenden Gesprächs, welches sich am Samstag, 29. April 2023 in der illustren Safari Bar abspielte.

Claude: SYVÄÄN entstammt dem Finnischen und bedeutet so viel wie «tief». Habt ihr finnischen Wurzeln entdeckt?

Marko: Nein, aber wir lieben Finnen. Viele finnische Bands sind einfach cool, weil sie sich nicht so ernst nehmen.
Rolf: Im HelsinkiKlub stand früher ein Zigarettenautomat mit Leuchtreklame. «vetää syvään hekeä», war da zu lesen, was soviel wie «tief durchatmen» bedeutet.
Marko: Doppel-Ä wie etwa H-Ä-vy M-Ä-tel… (Lacht.)
Rolf: …worauf wir im Internet recherchierten und lernten, dass SYVÄÄN eben «tief» heisst, was halt super zu uns passt. 

Claude: Eurem Album hört man an, dass euch mehr verbindet als Musik. Wie habt ihr als Menschen zusammengefunden?

Rolf: Marko ist der Partner von Micha von Bloodstar. Und Micha war schon immer meine beste Freundin. So hat sich das gefunden.
Marko: Wir haben uns recht schnell kennengelernt. Als ich mitbekommen habe, dass Rolf Gitarre spielt, fragte ich, ob er mir mal zeigt, wie’s geht.
Rolf: Erst spielten wir in einer Art Post Punk Projekt, merkten aber schnell, dass wir unser eigenes Ding durchziehen wollen.
Marko: Ja, es wurde recht schnell eintönig. Wenn ich bloss mal so ein bisschen am Amp gedreht hatte, hiess es gleich: «Zu heftig!»
Rolf: Marko und ich experimentierten mit Gitarre und Schlagzeug herum. Aus Improvisationen heraus entstanden dann die jetzigen Stücke. Nachdem wir so zwei bis drei Jahre vor uns «hingedingselt» hatten, stiess im Juni 2019 Michi zu uns, der vorher bei Phased und Lord of the Grave gespielt hatte.  Ab Sommer 2019 spielten wir fast jeden Monat live, bis dann eben die Pandemie gekommen war. Das letzte Konzert spielten wir im Februar 2020 im Ebrietas. Zusammen mit Holzerhurd und The Land of the Snow.
Marko: Die letzten zwei oder drei Konzerte hatten wir quasi selbst veranstaltet: Bands gesucht und alles. So kommt es dann genauso, wie du es dir vorstellst. Kein Stress und alles wird gut.
Rolf: Danach stand eben alles still, worauf wir mit den Arbeiten an der LP begannen. Die Basic Tracks (Bass, Gitarre, Schlagzeug, Live Elektronik) wurden an einem Samstagnachmittag in einem einzigen Take aufgenommen. Wir pflegen eine eher jazzige Arbeitsweise, weshalb das Album eben live eingespielt wurde. Dies verpasst dem Ganzen so den Groove. Die Lebendigkeit. Alles andere wurde später quasi arrangiert, diese Chorsachen und so, da arbeiteten wir dann wieder viel mit dem Compi. Wie du weisst, hatten wir auch bei Bloodstar keine Berührungsängste zur Elektronik. Dadurch ergab sich eine schöne Mischung, was wir auch live so bringen können. Gewisse Sachen kommen dann halt einfach ab Looper, weil ich ja nun auch wieder Gitarre spiele. Wir haben zwar lange einen Schlagzeuger gesucht, sind jedoch nicht fündig geworden. Somit kommt das Schlagzeug an Konzerten dann halt ab Band. Wie zu Bloodstar Zeiten machten wir ja alles selber. Die Produktion stammt übrigens von Gareth Millstead, dem Schlagzeuger von Lord Vicar.

Claude: Eure Arbeitsweise sei «jazzig», sagt ihr. Was meint ihr damit?

Rolf: Wir improvisieren und die guten Momente morphen dann in fixere Stücke.
Marko: Im Aufbrechen von Strukturen, wie sie im klassischen Rock sowie Metal vorherrschen. Da hast du ‘ne Strophe, ‘nen Refrain, wieder Strophe, wieder Refrain, was mit der Zeit langweilig wird.
Rolf: Wir möchten abstraktere Strukturen in unsere Musik hineinbringen, etwas Eigenständiges machen.
Marko: Mach was Eigenes und es wird interessant: Keine Wiederholungen, keine Kopien!

Claude: Anta wirkt getragen von innerer Schwere. Seid ihr pessimistische Menschen?

Rolf: Nein, nein. Das letzte Lied ist ja in Dur gehalten, was wieder Licht bringt. Obwohl ich die Platte nicht als hart empfinde, ist sie eben sehr, sehr heavy. Aber auch irgendwie soft.
Marko: Groovy...
Rolf: (Nickt.) Wir sind eben grosse Neu! Fans.
Marko: Oder Krautrock ganz allgemein…
Rolf: Das Minimalistische und so. Ich war ja nie ein Metal-Kiddie, sondern Punk. Und vorher hatte ich Glamrock gehört.
Marko: Bei mir kommt noch die Doom Schiene dazu, vor allem Funeral Doom. Seeehr langsam, repetitiv, meditativ. Wenn du bei Anta hinhörst, merkst du, dass es mich halt schon beeinflusst hat.
Rolf: Wir sind ja grosse Suicide Fans! Oder Chrome aus San Francisco. Micha und ich hatten 1983 in der Roten Fabrik einmal zusammen mit Alan Vega gespielt.

Claude: Zurück zu Anta…

Rolf: Das Cover stammt übrigens von Dani Graessle, der früher bei TNT spielte. Züri brännt, du weisst schon... Das Foto wurde zur Weihnachtszeit im Sihl City aufgenommen, wir haben es einfach umgedreht. Dann ist da noch dieser Abfallhai drauf, den eine Firma im Säuliamt produziert, die Anta (Anta Swiss AG, die Red.) heisst. Anta ist ein schönes Wort, sowohl vom Lautmalerischen her - kurz und prägnant -, wie auch der Bedeutung. Es heisst ja soviel wie nichts oder so manches. Im Italienischen zum Beispiel Fensterflügel, in Sanskrit hingegen Ende…
Marko: … oder Auflösung.
Rolf: Ein genialer Name! Dazu noch der auf den Kopf gestellte Konsumtempel, wo Sterne wie vom Himmel fallen. Alles ist fertig. Zu Ende.

Claude: Wie zeigt sich das in den Songs?

Rolf: Future Delayed zum Beispiel will ganz einfach das Gefühl ausdrücken, welches man als Teenager damals hatte. Kalter Krieg und alles, die Vorstellung von Endzeit, Mad Max... Was wir irgendwie cool fanden. Doch heute ist alles noch immer genauso blöd wie damals, dieselben blöden, dummen Autokraten wie damals. Zukunft ganz einfach delayed. Der Refrain von Micha ist Teil eines längeren Textes über die Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Von toten Migranten, die dort am Strand angespült werden. Der Song aber stellt mehr ein Stimmungsbild dar. Absoluter Stillstand am Anfang, worin man sich finden muss, zum Schluss die Auflösung. Was sich durch das gesamte Album hindurchzieht.


Claude: Wie hat sich die Reihenfolge der Tracks ergeben? Entstammen diese einer einzigen grossen Improvisation oder sind sie als Einzelsongs konzipiert?

Rolf: Es sind einzelne Stücke. Die Songtitel wählten wir eher assoziativ. Wer will, kann darin eine Abfolge wie etwa im Krisenjahr erkennen. Das Album ist vor dem Hintergrund der Pandemie entstanden, wo alles darniederlag.

Claude: Der Song Anta erweckt in mir das Gefühl, es ginge um eine Person, einen Verlust.

Marko: Nein…
Rolf: …aber es hat schon etwas Requiem-mässiges. Das Cello ist sehr schön. Es ist der Lieblingssong meiner Partnerin.
Marko: Anta war ja als erstes Stück entstanden…
Rolf: …welches wir zu Beginn Alpha nannten. Am Anfang hatte ich dieses Riff im Kopf, worauf wir lange daran herumimprovisierten. Die Celloteile wurden nachträglich arrangiert, entstanden aber aus einer Improvisation heraus. Lilith, die damals zehn Jahre jung gewesen war, hatte sie eingespielt. Sowieso involvierten wir auf der ersten Platte alle unseren Liebsten. Ganz allgemein arbeiten wir gerne mit Gästen zusammen.
Marko: Es könnte ja durchaus mal irgendeine Kooperation mit andern Musikern zustande kommen. (Pause.) Was nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern fast sogar Idee darstellt.


Claude: Wie geht es weiter mit Syvään? Seid ihr bereits daran, neue Stücke zu schreiben?

Rolf: Wir üben regelmässig und haben bereits einige Ideen. Ein bestimmtes Stück liegt schon ziemlich konkret vor. Es geht so etwas Surf-Morricone-mässig rein, bloss heavyer.

Claude: Wie stellt man sich das neue Material vor?

Marko: Es ist gewiss noch immer SYVÄÄN, doch aber hörst du Entwicklung raus.
Rolf: Nicht völlig anders, aber anders halt. Ich spiele jetzt Gitarre und nicht mehr Schlagzeug. Die Platte wird deswegen womöglich melodiöser.
Marko: Unsere Arbeitsweise jedoch bleibt dieselbe: Einfach drauflosspielen und schauen was draus entsteht. Doch wollen wir auch schnellere Stücke machen. Immer dasselbe Tempo kannst du nicht endlos ausreizen.
Rolf: Wir werden an unserem Konzert vom 31. Mai 2023 (im Bogen F) auf jeden Fall ein bis zwei neue Stücke vorstellen.

Claude: Ganz, ganz herzlichen Dank, dass ihr euch Zeit für das Gespräch genommen habt - und bis spätestens im Bogen F!!!



  • Das Album Anta kaufst du als Vinyl in einschlägigen Geschäften wie Outsider, Jamarico, Flat Disk, Katalog etc.,
  • natürlich kann es auch über bandcamp bestellt werden.



(Text : C. Sturzenegger, veröffentlicht am 13.05.2023)


HeAvYmeTaL.ch ist ein gemeinnütziger Verein, der die Schweizer Metalszene nach Kräften unterstützt. Falls du einen Beitrag leisten willst: Von der eigenen Mitgliedschaft bist du DIESEN EINEN KLICK entfernt.

Verspürst du gar Lust, dich redaktionell zu betätigen, schreibst du uns am besten.