Ateiggär - Tyrannemord

Besser spät als nie. Zumindest bei meiner Wenigkeit ist der zweite Output von Ateiggär bei Release im letzten Jahr vorbeigerauscht. Die Platte erwies sich jedoch als Bumerang und traf mich unverhofft mitten in die Fresse. Aber von Anfang an..

Entsprungen aus dem Kreativumfeld des Helvetic Underground Committees (Ungfell, Dakhma, Kvelgeyst etc.) widmen sich Ateiggär thematisch auf Tyrannemord Leo Armenius auch bekannt als Leo V., Kaiser des byzantinischen Reiches. Gestützt auf das Trauerspiel des deutschen Barockdichters Andreas Gryphius wird die Ermordung Leos beim Besuch der Weihnachtsmesse am 24. Dezember 820 verarbeitet. Leo Armenius ahnte nicht, was da auf Ihn zukam. Im schummrigen Licht der Kapelle kam es zum Kampf zwischen Männern von Feldherr Michael Balbus, seinen Mitverschworenen und Leo Armenius. Die Geschichte, an Dramatik kaum zu überbieten, gipfelt im Tod Leo's mit abgeschlagenem Arm, Schwert in der Brust und Lippen am Kreuz.

Gewisse Parallelen sind da innerhalb des H.U.C.’s nicht weit: Ungfell beispielsweise beschäftigen sich seit jeher mit Mythen und Legenden aus der Vergangenheit. Aufgrund der gegebenen Ähnlichkeiten beider Bands wie auch den identischen beiden Protagonisten, dürfte die musikalische Ausrichtung bereits klar sein. Ateiggär präsentiert sich als klassischer Black Metal mit kauzigem Gesang und epischen Synthies gepaart mit einer passenden Produktion der allen Elementen gerecht wird.

Alle andere als Stangenware

Das angesprochene «Vorbeirauschen» passiert, wenn man sich nur beiläufig mit dem Werk beschäftigt und sich von den wechselhaften Songstrukturen etwas erschlagen fühlt. Das Rad wird hier nicht neu erfunden, trotzdem wird nach mehreren Durchläufen klar, dass das kreative Songwriting immer wieder Überraschungen bereithält. Tyrannemord hat hohes Suchtpotenzial! Es sind die Feinheiten und die Vielschichtigkeit, die dieses Album so grossartig machen. Nach dem kurzen «Waldgeflüster»-Intro geht es mit «En stille Feind» gleich mit Vollgas zur Sache. Majestätisch baut sich die rohe Black-Metal Soundwand auf. Das eingängige Riff bleibt sofort kleben und der Gesang zwischen theatralischem Grollen und keifenden Growls passt sich gut in das Gesamtbild ein.

Deutlich wird die angesprochene Vielschichtigkeit aber beispielsweise bei «Us Lychegiftig Schlaf verwached». Treibende, mal schleppend, mal preschende Schlagzeugarbeit. Perfekt platzierte Riffs, die morbiden Vocals und fein eingestreute Keys lassen den Höhrer hypnotisiert zurück. Eine hervorragende Mischung aus Eingängigkeit und gleichzeitiger Komplexität, ohne sich zu sehr in wirre und langgezogene Passagen zu verlieren.

Parallelen zu anderen Bands zu ziehen ist meistens müssig, insbesondere bei Ateiggär. Die Eigenständigkeit des modernen Soundgewands und die generelle Mischung von Black Metal der zweiten Welle gepaart mit frischen Einsprengseln lassen kaum Vergleiche zu. Frühe Satyricon vielleicht. Teilweise erinnern die Keys auch an Emperor, dann wieder gewisse «Ufta»-Passagen an Darkthrone.




Fazit

Nach der bereits guten ersten EP «Us d’r Höll chunnt nume Zyt» haben Ateiggär hier vollends abgeliefert. Es gibt unglaublich viel zu entdecken, die etwas dünne Produktion der ersten EP wurde perfektioniert und die Qualität der einzelnen Songs wird konsequent über das ganze Album gehalten. Keine Ausfälle, keine Lückenfüller. Ein ungeheuer spannendes Werk und für mich eines der besten Blackmetal-Alben 2022. Pures Gold für jeden, der nach «ungehörter» Musik sucht.

Wer noch mehr über das Helvetic Underground Committee erfahren möchte, wie das Komitee tickt, weshalb sie ausdrücklich keine Firma sind und warum du keine Sofortmitgliedschaft beantragen kannst, dem sei unser Podcast mit George und Phil (Episode 11) nahegelegt.

Tyrannemord ist als Doppel-CD, als Tape oder hübscher «Cave Dweller» Vinyl über Eisenwald oder bei Ateiggär auf Bandcamp erhältlich.


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