Tar Pond - Petrol (15.09.2023 / Prophecy Productions)

Die selbsternannte "Anti-Supergroup" legt nach dem verfrühten und tragischen Verlust ihres Gründungsmitglieds Martin E. Ain ihr zweites Album vor.  Nachdem Ain 2017 nach der Fertigstellung aber kurz vor dem geplanten Release des Debutalbums überraschend verstarb, überlegte sich die Bandmitglieder lange, ob sie ihr Debut tatsächlich veröffentlichen. Mit einem respektvollen zeitlichen Abstand wurde das Album 2020 dann doch noch im Selbstverlag in kleiner Auflage veröffentlicht und von Klang&Kleid vertrieben. Und drei Jahre später wurde offenbar ein Vertrag mit "Prophecy Productions" geschlossen, welche nicht nur das Debut wiederveröffentlichen, sondern auch das zweite Album "Petrol" herausbringen würden. Das liegt nun vor mir auf dem Plattenspieler in seiner ganzen Schwärze. Sowohl inhaltlich wie auch optisch. Visuell begleitet wird es durch Portraits der Bandmitglieder von Sänger - und Zeichner - Thomas Ott in seinem gewohnt düsteren Stil.

"Bomb" eröffnet das Album mit einem hypnotischen Hauptriff, das Jerry Cantrell von Alice In Chains dankend angenommen hätte. Aber auch manche Post-Hardcore oder Postmetal-Band könnte es gut in ihr Gebräu einbauen. Gekonnt setzt die Band in ihrem selbstbetitelten "Doom'n'Gloom" verschiedene Betonungen und variiert die Intensität des gewaltigen Riffs immer wieder. Und zieht Dich langsam in die Finsternis. Michael Flurys Posaune (!) veredelt das finstere Gebräu mit dröhnenden Klagetönen. Ebenso finster geht es bei "Blind" weiter, das wieder Doom und Grunge im Teerkessel aufkocht, diesmal getrieben von einem brutalen Grundbeat mit Gitarren und Bass in doppeltem Tempo. Die Bridge könnte aus den besten Tagen von Neurosis oder sogar Celtic Frost  stammen, bevor man kurz nach Luft schnappt und wieder tief in die wilden Wasser des Hauptriffs gezogen wird.

Über der dicht agierenden Band schwebt Thomas Ott wie ein Geist in der Dunkelheit: Wohlüberlegt setzt er klagende,  aber eindringliche Beschwörungsformeln in einer glasklaren Stimme und in gekonnter Phrasierung. Mal brüllt er in die Sturmflut,  ein andermal wispert er aus den Schatten in der Tiefe. Pechschwarz, tieftraurig aber dennoch eingängig sind die Kompositionen, diese Menschen haben auch die Schattenseiten des Lebens erfahren, nicht nur in ihrer eigenen Bandgeschichte: das hört man den Melodien und Texten an.  Mit einem verhallten, traurigen unverzerrten Gitarrenlauf endet die erste Seite des Albums.


 

"Slave" eröffnet die zweite Seite mit einem zähflüssigen Groove. Und ist das wieder die Posaune von Gastmusiker Flury? Ott auf jeden Fall wieder in Bestform. Wie ein Johnny Cash in Zeitlupe oder Danzig zu seinen besten Zeiten webt er um die wenigen Gitarrentöne ein eindringliches Netz aus Worten. Mauriello setzt gefühlvolle Gitarrenleads mit sparsamen aber geschickt eingesetzten Effekten, die immer wieder seine Liebe für gewisse Grunge-Gitarristen erkennen lassen. So baut sich auch "Something" langsam und leise auf - eine Formel die seit dem ersten Black Sabbath-Song einfach unglaublich effektiv  ist, wenn man sie gekonnt nutzt. Und genau das tun Tar Pond. Ott steigt schnell in die fragile Komposition ein,  wie unter Wasser singend. Darauf folgen zweite Gitarre und Bass. Allgemein hat der Song einen gewissen Sabbath-Vibe,  tönt aber dennoch modern. Nach einer kurzen Pause wird das Hauptriff mit voller Wucht entfesselt, das reduzierte aber extrem effektive Schlagzeugspiel von Edelmann entfaltet in diesem Stück seine komplette Dynamik. Das geschmackvolle Tonbild verdankt die Platte übrigens  Edelmanns ehemaligem Bandkollegen Tommy Vetterli, wie schon ihr Vorgänger. Die Rhythmen sind teilweise sperrig, aber in ihrer behäbigen Intensität  unglaublich effektiv und eingängig. Die Songs von "Tar Pond" versuchen in keiner Weise, den Glanztaten ihrer vorherigen Bands blind nachzueifern. Diese Band brennt für ihre Musik, die Leidenschaft und Begeisterung ist in jedem Ton hör- und spürbar. Hier wurde offensichtlich gemeinsam stundenlang im Übungsraum gearbeitet und gefeilt,  bis einfach alles an der richtigen Stelle lag. Das Album endet mit einem cleanen Intro, das mit der betörenden Stimme der Künstlerin Nathalie Dreier (Perverts In White Shirts, RedRubberroad) eine kurze Verschnaufpause bietet. Der metaphysische Text allerdings ist bedrohlich. Dreier schrieb zusammen mit dem zweiten Gitarristen Merico hier auch die Lyrics - nicht wie sonst immer Sänger Thomas Ott. Die Texte graben durchgehend in grossen Gefühlen, Trauer, Zorn, Verlust und Liebe. Gerahmt von Halldurchtränkten Gitarrenklängen  schwebt der Song vor sich hin bis ein langsames,  aber treibendes Riff das letzte Stück zum Sturm werden lässt. Auch hier hätten Goatsnake, Saint Vitus oder auch manche Black Metal-Band  ihre helle [!] Freude. Fast abrupt endet das Album nach einer knappen Dreiviertelstunde und lässt mich wie betäubt aber auch begeistert zurück.

Tar Pond haben sich nach ihrem ersten Album subtil weiterentwickelt und ihre Stärken ausgebaut. Die bewegte Bandgeschichte mit verschiedenen Besetzungswechseln ist dem Album nicht anzuhören. Es wirkt wie in einem Guss. 


Thomas Ott - vocals

Markus Edelmann - drums

Chris Perez - bass

Stefano Mauriello - guitar

Daniele Merico - guitar

https://www.tar-pond.com/




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