Grabungsbericht MMXXIV.IV-V
INHALT
RADON / Demo
OSCUROM / Echoes
CHOTZÄ / Pächschwarz
THE REDNECK ZOMBIES / Greatest Hits
BAD MARILYN / Eye Of The Snake
KENOPSIA / Vacant Augur
VÍGLJÓS / Tome I: Apidæ
von C. Sturzenegger
(Zugegeben reingeschummelt, aber aus verdammt gutem Grund...)
RADON hauen mit ihrem April-Demo gleich mal einen schwarzmetallischen Donnerschlag mitten in die lethargische Zürcher Szene hinein. Sam, Milena und Sab kreieren eine doomig schwere, zuweilen abgefahren dreckige Stimmung, die du ihnen so oder so gleich abnimmst. Kaputtmusik dann auch, durch den Wind gedreht, körnig, mental abgespaced, wo Ungenauigkeit ganz einfach dazu gehört. Der Schlag daneben, ein etwas zu früh einsetzendes Riff, was auch immer... in der Summe nicht nur totalegal, sondern eminent imminent oder aber umgekehrt imminent eminent.
Extrem superkalt läuft es dir den Rücken runter, wenn Vocals einsetzen, was kreischig gequält leidend daherkommt, vor allem aber dir jene Breitseite Ohnmacht vermittelt, die nachzuvollziehen du wenigstens behauptest.
Fazit: RADONS Demo hörst du am besten auf gut schliessenden Kopfhörern, wenn gerade mal zugeknöpft du durch die Stadt fährst, totalisoliert Menschenzirkus zu betrachten trachtest, Homo Soundso im Auslaufgehege. Etwa so.
In der Kategorie Demos:
[3.5/5.0].
OSCUROM / Echoes (16. April 2024)
Auf Echoes addieren sich fünf Stücke atmosphärischen BMs zu einer Gesamtlaufzeit von 64 Minuten. Worauf du zweifelnd den Chronometer konsultierst ——- doch hören wir erst mal hin...
Der Opener Celestial Path holt uns mit einem melancholisch verträumten Intro ab. Synthesizer. Zupfgitarre. Trommelwumms. Wobei du ahnst, dass Sturm gleich losbrechen wird und in der Tat findest du dich bald im herrlichsten Blastbeatgewitter wieder. Weit angelegte Gitarrenflächen erinnern an rasende Wolkenbänke, wogegen Esgaroths dominant keifenden Stimme verzweifelt anschreit. Ein irgendwie stimmiges Bild, welches sich mit den Melodiebögen eines eingesetzten Synthesizers in einer Weise vertragen, dass jetzt nicht gleich an Pomp gedacht werden muss. Den Drums hingegen hängt was Klinisches an. Obwohl sorgfältig programmiert, beschränken sie sich im Wesentlichen auf die Rolle des Taktgebers.
Folgende Tracks sind nach ähnlichem Muster ausgestaltet, wobei die sorgsamen Kompositionen der Songs besonders herauszuheben sind. Auch wenn das Romantische zuweilen dann doch ins (gefährlich) Pathetische hineinzukippen droht, gerätst du unversehens in den Groove des jeweiligen Songs. Eine abgerundete Sache.
Fazit: Esgaroth legt mit Echoes ein ambitioniertes Werk hin, welches einer gewissen Poesie keineswegs entbehrt. Die Stücke an und für sich funktionieren bestens, wobei ich mir den kreativen (menschlichen?) Drummer ununterbrochen herbeisehne. Die Überlänge dann schlägt im Gesamten zu Buche. Über das ganze Album gehört, lässt sich ein Dramaaufbau (etwa à la Aara) vermissen. Es fehlt die übergreifende Story, die das Werk (mit Höhen und Tiefen) zu einem Ganzen kittet. Echoes fehlt nicht viel, dann aber eben doch. Vor allem wäre anzudenken, den einen oder die andere Mitstreiter/in an Bord zu holen. Dass Potential hinter OSCUROM steckt, ist jedoch kaum von der Hand zu weisen. Bleiben wir also gespannt!
[Wertung: 2.5/5.0]
CHOTZÄ / Pächschwarz (Folter Records, 25. April 2024)
Das vierte Album von CHOTZÄ stellt definitiv einen Schritt dar. Ob einer nach vorn, hat letztlich Gefolgschaft entscheiden. Mit Pechschwarz ist den Berner Mundartmetallern ein Album gelungen, welches gehört werden will. Und auch kann. Die Produktion kommt sauber aufgeräumt daher, der Rotz vergangener Werke wirkt hingegen etwas abgewischt. Gekonnt werden Stilelemente miteinander verwoben, die alltagsmässig sich höchstens mal zunickten.
Der Opener Gottvergässa empfängt uns gitarrenbetont rockig, um unversehens in bissig schneidenden Schwarzmetall sich einzufinden. Tragendes Element bildet die kehlige Raustimme von Szivilizs, welcher (allzu) melodischen Momenten radikal die Spitze bricht. Schimmubuebä funktioniert recht ähnlich, während der Titelsong Pächschwarz sowie das folgende Löutschä uns Hochgeschwindigkeits BM, durchzogen mit rockig punkigen Einschüben/Riffs beschert. Nach dem melodisch schleppenden Unusgschprochä brettert Satan's Sündä los, wo wir mit einem beschwörerischen Mitsingrefrain konfrontiert werden. Das messerscharfe Fieberwahn plus atmosphärische Wundgang beschliessen ein überaus abwechslungsreiches Album.
Fazit: Pächschwarz stellt sich als reifes Album dar. Das Konzept der Scheuklappenlosigkeit jedenfalls meistern die Fünf mit Bravour, sowie es ihnen gelingt den bunten Strauss an Stilelemente spannungserhaltend einzusetzen. Ob's letztlich gefallen mag, bleibt Haltungsfrage.
[Wertung: 3.5/5.0]
THE REDNECK ZOMBIES / Greatest Hits (26. April 2024)
THE REDNECK ZOMBIES legen mit Greatest Hits ein bodenständiges Trash Album hin, welches sowohl technisch als auch im Zusammenspiel zu überzeugen vermag. Wer COBRA DEATH noch halbwegs in Erinnerung behalten hat, wusste darum bereits. Mit Smoke, Fire and Lightning legen die Jungs gleich ordentlich los, wobei zügig klar wird, in welche Ecke geprescht werden will. Denn über das gesamte Album hinweg wirst du mit unzähligen Reminiszenzen an Doppelgitarren à la Eiserne Jungfrauen konfrontiert. Was dir entweder liegt oder ganz und gar nicht. Der aggressiv rauen Gesangsstimmt von Benno Herzog gelingt es einerseits hervorragend, jene Achtzigermentalität authentisch umzusetzen, wiewohl er dem einen oder anderen Song (z.B. Satanic Panic) eine schwarzmetallische Note abgewinnt.
Fazit: Greatest Hits von THE REDNECK ZOMBIES kann als solides Machwerk gehört werden, welches vor allem Lust auf einen Liveauftritt weckt. Die Musiker verstehen hörbar ihr Handwerk, wobei sie keinen Hehl aus ihren Vorbildern machen. Die Produktion kommt druckvoll gelungen daher. Explizit in der Sparte Retro Metal verdienen sie sich eine satte
[3.0/5.0] .
(Schreibt einer, dessen Schulmaterialien mit Eddies aus der Killers Epoche vollgekritzelt waren.)
BAD MARILYN / Eye Of The Snake (3. Mai 2024)
Mit ihrem Erstling Eye Of The Snake präsentieren BAD MARILYN ein sattes Album, welches sich durch variantenreiches Songwriting auszeichnet, sowie spielerisch überzeugt. Insbesondere saubere, gleichwohl «catchy» Riffarbeit ist zu loben, unterstützt durch hervorragende Rhythmus Arbeit. Zudem werden Synths wohltuend, nahezu unbemerkt eingesetzt, wodurch sie das Gesamtbild optimal ergänzen.
Gerade in der Sparte Power/Heavy Metal fällt es naturgemäss schwer, sich durch Eigenständigkeit hervorzutun. Eine Scharte, die auszuwetzen auch den Bernern nur ansatzweise gelingt. Vor allem im Bereich der Refrains gerät das Hörerlebnis dann doch sehr ins Vorhersehbare hinein. Auch Andreas tragfähige Stimme kann hier den Unterschied nicht ausmachen, was zu gewissen Teilen der Produktion zuzusprechen ist. Gerade cleane Parts wirken im ansonst superben Mix (Dennis Ward) obendrauf gesetzt und seltsam linear. Für meine Begriffe fehlt es im Vokalbereich deutlich an Fülle. Ansonsten bedient die ex-INFINITAS Sängerin ein überaus breites Spektrum, wiewohl sie während extremerer Parts mehr als zu bestechen vermag.
Fazit: Eye Of The Snake braucht den Vergleich mit bekannteren Genrevertretern kaum zu scheuen. Das Quintett zeigt eindrücklich, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Zuweilen wirkt das Album stilistisch noch bemüht bis hin zur Patchwork Tendenz. Sollte es BAD MARILYN jedoch gelingen, mehr Eigenständigkeit heraufzubeschwören, bin ich überzeugt, dass die Dorfchronik von Wangen an der Aare zwingend umgeschrieben werden muss.
[Wertung: 2.5/5.0]
KENOPSIA / Vacant Augur (3. Mai 2024)
Mit KENOPSIA wird die Atmosphäre eines verlassenen, ehemals unbevölkerten Ortes beschrieben. Stell dir eine Ruinenstadt vor, worin träumerisch du wandelst. Tore durchschreitest. An Gemäuern horchst. Bis du vermeinst, lange schon gewesene Klänge zu vernehmen. Und genauso hört Vacant Augur sich an. Entrückt. Unheimlich zuweilen. Wobei du dir an Wänden klebendes Blut vorstellst. Unerhörtes Flehen womöglich eines Priesters. Oder aber klatschendes Geräusch zweier Liebender im Mondenschein. Entsprechend fällt die stilistische Verortung schwer. Will nicht sein. Eine doomige Grundstimmung trägt dich durch die drei Songs hindurch, Vocals sind mehrheitlich im Schwarz- oder Todesmetall beheimatet. Die Struktur der einzelnen Stücke jedoch erinnert eher noch an Krautrock. Einfache, aber wirkungsvolle Riffrepetitionen, worin Improvisation sich platziert resp. Bedeutung gelegt wird. Dazwischen Saitenzupfparts mit echoumhülltem Cleangesang, wobei gerade jene Stellen als gerade mal gut gewollt empfunden werden. Es an der technischen Umsetzung/Behändigkeit noch fehlt. Du ahnst, dass KENOPSIA sich hier weniger zu Hause fühlen als etwa in anderen Gefilden.
Fazit: Vacant Augur hat deutlichen Democharakter und verdiente es, mal so richtig eingespielt zu werden. Mit allem drum und dran, vielleicht sogar alternativer Gesangsstimme für ruhige Parts. Idee und Herangehensweise an das Projekt vermögen insgesamt zu überzeugen, deren Umsetzung nur halb. Noch zu sehr haftet den Stücken das Unfertige an, nicht zu Ende Gedachte. Ich hoffe sehr, dass ihr mal Zeit findet, daran weiter zu werkeln!!!
[Wertung: 2.5/5.0]
VÍGLJÓS / Tome I: Apidæ (Dusktone, 11. Mai 2024)
Um ehrlich zu sein, standen wir gerade fürs nächste GRAVPEL Album Schlange, stattdessen aber bediente uns Luca mit VÍGLJÓS, was soviel bedeute wie «Licht, das gerade hell genug ist, einen Menschen zu töten». Uns natürlich solls recht sein!
Tome I: Apidæ wird mit den Klängen eines Akkordeons eingeleitet, derweil im Hintergrund bedrohliches Bienensummen zu vernehmen ist. Coverseitig betrachten wir eine Federzeichnung von Brughel dem Älteren, worauf nebst drei verhüllten Imkern im Hintergrund ein Nesträuber seiner Tätigkeit nachgeht. Im Kontext der Entstehungszeit ein Symbol für Häresie.
Der erste Song (Sweet Stings) serviert uns eine geballte Ladung Raw-BM, dominiert durch rasende Instrumentierung plus Lucas eindringlich kreischende Gesangsstimme. Die Sechssaitige klingt, als ob sie am heimischen HiFi-Verstärker angeschlossen worden wäre, während Rhythmus Sektion variant, dennoch aber voll auf den Punkt gebracht daherkommt. Dahinter gelegt hören wir hin und wieder Klänge eines Mellotron heraus, der analoge Vorfahre heutiger Sampler. Obwohl spärlich eingesetzt, wird der ansonsten harsche Sound dadurch wundervoll kontrastiert. Nummer Drei (The Apiarist) hingegen nimmt quälend schleppend Anlauf, um sich nach und nach in einen nahezu galoppierenden Rhythmus hineinzusteigern. Beiden Tracks liegt eine bedrückend dissonante Stimmung zugrunde, was während der folgenden 42 Minuten ungebrochen Bestand haben wird. Einerseits ist dies im Tonalen zu verorten, andererseits rhythmischer Verschiebungen zuschreiben. Insbesondere der Leadbereich (inkl. Vocals) hinkt der Taktgebung da und dort wie quasi beabsichtigt hinterher. In der Folge geraten im Grunde volkstümliche Songs (wie zum Beispiel das grossartige Dance Of The Bumblebee) denn nur ansatzweise lüpfig. Zum Schunkeln jedoch kaufst du dir die Platte so oder so kaum. Der Mix insgesamt geriet rau, doch aber differenziert, wobei kein anderer als Marc Zobrist (ZEAL AND ARDOR) an den Reglern sass.
Fazit: Dass das Machwerk nicht im Allermindesten als langatmig oder etwa erschöpfend wahrgenommen wird, liegt daran, dass VÍGLJÓS die Kunst beherrschen, einfach gebauten Songstrukturen auf improvisatorische Weise Odem einzuhauchen, wie auch das Konzeptuelle durchwegs nachvollziehbar bleibt. Tome I: Apidæ stellt ein eigenständiges, gelegentlich augenzwinkerndes Machwerk dar, welches mehr als einmal gehört werden will.
[Wertung: 4.0/5.0]
HeAvYmeTaL.ch hält sich an die bewährte AMG-Skala, die sich wie folgt transkribiert:
5.0 – Ikonisch
4.5 – Exzellent
4.0 – Hammer
3.5 – Sehr gut
3.0 – Gut
2.5 – Mit gemischten Gefühlen (Ja, schliesslich haben wir auch Gefühle...) / Luft gegen Oben
2.0 – Bittere Enttäuschung
1.5 – Schlecht
1.0 – Traumatisch
0.5 – Schlicht unhörbar
(Produkte mit Wertung 2.0 und drunter schenken wir uns in der Regel, so ein Menschenleben hält schliesslich noch andere Brocken bereit...)
Texte von C. Sturzenegger
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