Last Call 2024
Auf dem Seziertisch:
* EXORBITANT PRICES MUST DIMINISH / For A Limited Time
* COLDCELL / Age Of Unreason
* TROGNE / Ethyloccultisme
* DEAD BORN VISION / Moving Through
* CHARLENE BERETAH / Kind Of Savagery
* CONNIVER / Human Impermanence
* AMETHYST / Throw Down The Gauntlet
* SECLORUM ORNAMENT / The Last Sorceress
* AD INFINITUM / Abyss
* EUCLIDEAN / Fosse
EXORBITANT PRICES MUST DIMINISH / For A Limited Time (Independent, 19. Juli 2024)
von P. Weber
Welcome to the Tupperware-Party! EPMD aus dem Welschland spielen Grindcore mit herrlich zynischen Texten über unseren Alltag als Sklaven des modernen Kapitalismus.
Nach Demo, Split und Live Output folgt nun die erste Full-Length For a limited Time. Und die hat es in sich! 17(!) Songs ergeben mit knapp über 20 Minuten Spielzeit eine ordentliche Laufzeit. Ex-Mumakil Drummer Maxime prügelt jegliche Apothekerpreise in Grund und Boden. Messerscharf zusammengehämmerte Riffs der Rhythmusfraktion und charakteristisches Gebell von Alessia runden das Ganze ab.
Tiefgründige Botschaften gibt es nicht. Das Songwriting gestaltet sich zielstrebig und eindimensional. Die Diskussion ist geführt. Mehr braucht es nicht für ein verdammt gutes Grindcore-Werk.
[Wertung: 3.5/5.0]
COLDCELL / Age Of Unreason (AOP Records, 26. Juli 2024)
Auf Age Of Unreason nehmen COLDCELL den inhaltlichen Faden von The Greater Evil auf, zeigen sich jedoch bedeutend abgeklärter als noch auf dem Vorgänger. «Can we not break free of this pessimistic view and see to it that we escape this circle» heisst es denn im Eröffnungssong Hope and Failure, der nach besinnlicher Einleitung in einen herrlich wirbelnden Strudel hineingerät. Von Beginn weg zeigen COLDCELL die Breite ihres beeindruckenden musikalischen Spektrums auf, wo Ton und Schlag gekonnt sitzt.
Beim Folgestück Dead To The World wird das Tempo ansatzlos aufgenommen, wobei eine fernöstlich melancholische Melodie sich in preschende Soundflächen verwebt. Der (bewährten) Rezeptur einer einsam sich entwickelnden Melodie bleiben COLDCELL nach wie vor treu.
Fazit: Mit Age Of Unreason machen die Basler einen Schritt nach vorn und bereiten gleichzeitig den Weg, der noch vor ihnen liegt/liegen mag. Hoffnungsloser Ohnmacht scheint Ohnmacht mit Wenn und Aber gewichen zu sein. Musikalisch kommt dies in einer Art Zartheit zum Ausdruck - ohne jedoch auf Härte verzichten zu müssen.
[Wertung: 4.0/5.0]
TROGNE / Ethyloccultisme (Independent, 2. August 2024)
von C. Sturzenegger
Mit Ethyloccultisme lassen wir uns auf einen Rauschzustand ein, dem die gute Note Absinth womöglich nicht abhandenkommt. Alle drei Songs werden um ein repetitives Thema herum aufgebaut & steigern sukzessive sich in eine Point-Of-No-Return-Klimax hinein. TROGNE schaffen es mit leisen Variationen, Spannung zu infundieren, der zu entziehen dir schwerfallen wird.
Die Produktion hingegen kann bestenfalls als authentisch bezeichnet werden. Insbesondere im Rhythmus-/Bassbereich wirkt der Mix ethylokkultistisch ersoffen. Vor allem die Drums kommen hierbei weniger zur Geltung, als sie es verdient hätten.
Fazit: Der Erstling der Fribourger wird als durch und durch infernales Od empfunden, welches vor allem im Atmosphärischen totalüberzeugt. Dante jedenfalls hätte seine Freude gehabt. TROGNE ist ein kräftiges Stück Musik gelungen, welches sich vom Alltags-/Einheitsbrei wohltuend abhebt.
Erhältlich ist das gute Stück zurzeit in Form (bislang ausverkaufter) Kassetten oder aber digital zum Beispiel auf bandcamp.
[Wertung: 2.5/5.0]
DEAD BORN VISION / Moving Through (Independent, 5. September 2024)
von P. Weber
Alarm! Da knallt und groovt es mächtig bei den Beppis. Nach zwei EPs gibt's nun mit Moving Through den ersten Langspieler. Don't Break Your Neck macht den Anfang der Platte - Name ist Programm. Kopfhörer nicht von Vorteil. Die Basis findet sich definitiv beim groovigen Thrash, gemischt mit Death Metal Hooks. Immer geschickt platziert und selten langweilig. Unterstrichen wird das Ganze durch eine satte Produktion, die aber gerne noch etwas druckvoller daherkommen könnte. Mehrere Anläufe braucht die Platte definitiv nicht. Könnte sich jedoch bei der Nachhaltigkeit auswirken. Was bei DEAD BORN VISION etwas fehlt, ist schlicht und ergreifend die eigene Identität. Ein bisschen mehr Gesangsvariabilität und weniger unisono "my life is broken as shit"... Trotzdem macht die Platte Spass. Live sind die Moshpits sowieso vorprogrammiert. Gut!
[Wertung: 3.0/5.0]
CHARLENE BERETAH / Kind Of Savagery (Independent, 13. September 2024)
von P. Weber
An Tagen, an denen sich Liebe, Glück, Erfolg usw. wie eine verdammte Farce anfühlen, an denen alles in Elend, Abscheu und Verderben gehüllt ist, bleibt Sludge der perfekte Soundtrack. Sludge ist nicht der typische "dustige" Stoner-Jam, sondern ein hässlicher Bastard aus Doom Metal und Hardcore-Punk. Was dann auch auf Kind Of Savagery ganz tief in die Magengrube geht. Bei den Neuenburgern CHARLENE BERETAH brauchts eine gewisse Standfestigkeit, um nicht an die nächste Wand geblasen zu werden. Eine dicke, klebrige Schicht aus Müll und Dreck legt die Grundlage für einen absoluten Dampfhammer. Viel an Variation gibt es nicht. In diesem Fall ist das absolut positiv zu werten. Die Band spielt hie und da trotzdem mit Licht, ein paar wenigen cleanen Parts, langgezogenen Pausen, was aber aufgeht. Die Kultivierung und Ästhetisierung des Hässlichen, wie es sich für eine Platte dieser Richtung gehört, ist gelungen. Ein wunderbarer Soundtrack für misanthropische Stunden. Angesichts der aktuellen Weltlage sind diese wohl auch genügend vorhanden.
[Wertung: 4.0/5.0]
CONNIVER / Human Impermanence (Independant, 13. September 2024)
von C. Sturzenegger
Vorweggenommen, CONNIVERs EP Human Impernanence kann sich hören lassen. Druckvolle Beats. Geil nervige Riffs. Dazu gruftig gutturale Vocals, die alles geben. Plus Drums wie Schleudergang deines Lieblingsbetonmischers.
Stilistisch verorten wir das Ganze in Richtung Technical/Brutal Death, also nix für jeder*s Ohren. Oder höchstens mal live, wenn alle (andern) hübsch im Kreise rennen. Technisch wird das Ganze akkurat umgesetzt. Auf den Punkt gebracht. Dass anschliessend bloss noch staubgesaugt werden muss.
Auf der Ideenseite hingegen herrscht quasi Windstille. Keinesfalls, dass du beim Anhören plötzlich aufhorchst und dir was merken musst. Was wohl auch nicht die Idee der Leute um VIRVUM, LOTRIFY und DYNAMITE ABORTION gewesen war? Sondern einfach mal ausspannen oder so... Jedenfalls hätte die EP nach meinem Gusto gut und gerne zwei Stücke kürzer ausfallen dürfen.
[Wertung: 2.5/5]
AMETHYST / Throw Down The Gauntlet (No Remorse Records, 27. September 2024)
von C. Sturzenegger
Auf Thrown Down The Gauntlet sind acht Songs versammelt, deren Summe etwas mehr als vierzig Minuten ergibt.
Die Produktion wirkt samten. Clean. Den Stücken haftet jene Art naive Unschuld an, die dir keinesfalls fremd sein wird. Hierin liegt denn gerade die Stärke des Albums: Dass da nicht über-editiert worden war. Der Gesangsstimme dieses eine Mü drüber oder drunter zugestanden wurde. Dazu gelegentliche 'Findungsphasen' der Rhythmus-Sektion im Akzeptanzbereich liegen.
Um den Groove jener Wendezeit (oder Groove überhaupt) perfekt einzufangen, muss man sich gerade eben auf das dosiert Unperfekte einlassen. Mal was stehen lassen können.
Dass die Kompositionen an Maiden, Tygers, Jaguar et cetera MEHR als erinnern, gehört ganz einfach zum Konzept. Sag ich mal so.
Fazit: Fast jede*r versucht zuweilen, Zeit dorthin zurückzuschrauben, wo alles noch gut gewesen war. Doch so recht gelingen mag es eigentlich niemandem. Ausser eben AMETHYST, die den Charme jener Spätsiebziger/Frühachtziger sowas von ungebrochen ins Wohnzimmer transportieren, dass du nahezu re-pubertierst.
Beziehen kannst du das Teil in jedem vernünftigen Plattenladen, direkt auf No Remorse Records oder aber digital über die üblichen Kanäle (ausser bandcamp).
[Wertung: 3.5/5.0]
SECLORUM ORNAMENT / The Last Sorceress (Selfrelease, 1. Oktober 2024)
von C. Sturzenegger
SECLORUM ORNAMENT legen mit The Last Sorceress ein Fünfundfünfzigminuten-Debut hin. Shattor zeigt sich für sämtliche Instrumente zuständig, während Sharey die Gesangsparts übernahm. Das Produkt validiere ich mit gemischten Gefühlen.
Nach einem irgendwie gelungen mystischen Intro drückt der erste Song Young Santana gleich ordentlich aufs Gas. Wobei dich insbesondere die Reibeisenstimme von Sharey in Bann zieht. Grosse Klasse!
Das Saitenspiel wirkt über die Gesamtlänge des Tracks zwar gekonnt gesetzt, doch aber verhalten. Vielleicht sogar uninspiriert. Weder Steigerung ist zu erleben noch Höhepunkte auszumachen. Was extrem superschade, da es an Ingredienzen keinesfalls fehlt.
Die restlichen Stücke bestätigen den ersten Eindruck. Bei vielen spannenden Ansätzen will es den Thurgauern einfach nicht gelingen, ihre Songs über deren gesamte Laufdauer (von meist mehr als sechs Minuten) am Leben zu erhalten.
Fazit: Unter dem Gesichtspunkt Erstling kann The Last Sorceress einiges abgewonnen werden. Die Produktion passt. Das Saitenspiel. Riffs. Kehlarbeit erst recht. So oder so bleiben Shareys an Onielar erinnernde Vocals eine Entdeckung. Ihr Repertoire reicht von giftigem Keifen, Reibeisengrowls, Quieken à la Säulimetzgete (Anna - The Last Witch) hin zu wundersam belegter Cleanstimme. Davon möchte man unbedingt mehr!
So oder so hoffe ich, von SECLORUM ORNAMENT wieder zu hören, wenn möglich mit Drummer und Bassist...
[Wertung: knappes 2.5/5.0]
AD INFINITUM / Abyss (11. Oktober 2024)
von P. Weber (ja dann halt...)
Die Letzten beissen die Hunde ..oder so. Dachte ich mir jedenfalls, als ich gesehen habe, dass die neue AD INFINITUM Scheibe den Schlusspunkt unseres Grabenberichts setzt. Ad Infinitas, Infinitas? Infinitum! Kürzlich noch zum Crowd-Funding einer ähnlichen Band aufgerufen, verwechselte ich die 2 doch tatsächlich. Aber egal, kann ja mal passieren wenn man sich im Sub-Genre nicht so perfekt auskennt. Nach erstem Durchlauf jedoch festgestellt: Hochprofessionelles, wunderbar flauschig produziertes Scheibchen. Leider auch waren keine wirklichen Glanzpunkte festzustellen. Der schlechteste Song ist aber auch noch immer in Ordnung. Experimente werde da keine betrieben. Zudem macht Fronterin Melissa Bonny ihre Sache sehr gut. Von zart und leise über laut und eindringlich bis hin zu derben Growls ist alles dabei. Was letztlich beim Hörer hängenbleibt. Die Instrumentenabteilung macht Ihre Sache sicherlich auch sehr gut, vieles aber ist absehbar und durchgelutscht. Da helfen auch "djentige" Breakdowns wenig. Genre-Fans knallen da aber bitte noch mindestens 1 Punkt obendrauf!
[Wertung: 2.5/5.0]
EUCLIDEAN / Fosse (Independent, 18. Oktober 2024)
von C. Sturzenegger
Um Patrik vor beissenden Hunden zu retten, gleich noch ein Letztes. Doch treibt mich weniger Altruismus dazu, sondern hehre Pflicht. Denn EUCLIDEANs EP schmählich zu übergehen, kommt dem Hochverrat gleich.
Mit Fosse liefern die Vier aus La Chaux-de-Fonds ihren Zweitling ab, wobei seit dem grossartigen Quod Erat Faciendum gute sieben Jahre übers Land gezogen sind. Entsprechend hat sich die Besetzung etwas geändert. Heuer besteht das Lineup ausschliesslich aus Musikern von YRRE und HELSLAKT.
Die drei Stücke erfordern insgesamt vierzig Minuten deiner Lebenszeit, eine Investition, die du im Übrigen nur zu gerne tätigst. Die Welschen lassen sich entsprechend Zeit mit ihren Arrangements. Bauen auf. Verhelfen den Stücken zu genügend Atemzeit. (Wobei keineswegs Stringenz darunter litte.) Das Quartett wirkt in einer Weise aufeinander eingespielt, dass Spontaneität stets erhalten bleibt. Ohne zu viel zu wollen, gelingt es, über die gesamte Spieldauer eine tragende Atmosphäre zu gestalten.
Instrumental bleiben keine Wünsche offen sowie Vocals überaus stimmig gesetzt wurden. Der Mix passt genauso. Weil die Stücke dann doch irgendwie für sich stehen, verbleibt denn eher das Feeling einer EP.
Fazit: Post BM vom Feinsten, der sich mit Grössen des Genres messen lassen kann. Ob die Intensität vorliegender Kostprobe auf einen 'echten' Longplayer übertragen werden kann, bleibt offen. Hauptsache, es muss nicht wieder sieben Jahre gewartet werden!
[Wertung: 3.5/5.0]
HeAvYmeTaL.ch hält sich an die bewährte AMG-Skala, die sich wie folgt transkribiert:
5.0 – Ikonisch
4.5 – Exzellent
4.0 – Hammer
3.5 – Sehr gut
3.0 – Gut
2.5 – Mit gemischten Gefühlen (schliesslich haben wir auch welche...)
2.0 – Bittere Enttäuschung
1.5 – Schlecht
1.0 – Traumatisch
0.5 – Schlicht unhörbar
(Produkte mit Wertung 2.0 und drunter schenken wir uns in der Regel. So ein Menschenleben hält schliesslich noch andere Brocken bereit...)
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