Paysage d'Hiver / Die Berge
Mit dem Album Die Berge liegt des geheimnisvollen Wanderers vierzehnte und möglicherweise letzte Reise vor. Diese führt ihn durch die Kargheit schroffer Gebirgswelten, dem höchsten aller Gipfel entgegen, seinem eigenen Tod.
Während mehr als hundert Minuten begleitest du den Einsamen auf seinem beschwerlichen Marsch dorthin, wo er verdiente Ruhe finden soll. Die Hörerin erwartet eine mehr als innerliche Reise durch zerklüftete Steinlandschaften, brüchige Gletscherfelder und schroffe Täler hoch zum Gipfel, der Erlösung verspricht.
Standen auf Vorgängerwerken von PAYSAGE D’HIVER Elemente oder Wesenheiten im Zentrum der Empfindung, bleibt des Wanderers Fokus auf Die Berge ausschliesslich selbstzentriert. Das Werk lässt sich in drei Entwicklungsstadien gliedern, welche der Protagonist zu durchlaufen hat.
Stemmt er sich anfänglich (Urgrund, Verinnerlichung) seinem Schicksal noch vehement hadernd entgegen, werden während den grossartigen Stücken Transzendenz I-III erst wahnhaft halluzinogene Zustände durchlaufen, um letztlich in erlösende Akzeptanz einzumünden. Ausstieg und Gipfel dann markieren Zustände wie Hingabe, Erkenntnis und ganz zum Schluss: erhebende Freiheit.
Die Songs bauen sich jeweils um ein Thema, welches weniger repetitiv denn iterativ steter Entwicklung unterworfen ist. PAYSAGE D'HIVER beherrscht die Kunst, Takt für Takt Progression zu erzeugen, dass Intension nicht nur erhalten bleibt, sondern sukzessiv Steigerung erfährt.
Knüpfen Urgrund und Verinnerlichung unmittelbar an den nordisch harschen Schwarzmetall der Vorgängeralben an, geraten wir ab Transzendenz I-III in eine vorerst entrückte Stimmung hinein, die im finalen Track Gipfel dem Lichthaften entgegenstrebt. Zudem beweisst Wintherr eindrücklich seine Vielseitigkeit als Vokalist.
Auch wenn der Mix zweckmässig rau gehalten bleibt, wirkt die Produktion aufgeräumt fast stubenrein. Auch wenn Drums gewohnt dezent in den Hinter-/Untergrund gesetzt sind, klingen diese durchaus differenziert, sowie Gitarren sauber im Stereofeld verräumt wurden. Synthesizer Flächen hingegen komplementieren das Bild, ohne zu sehr (oder unnötig) in den Vordergrund zu drängen. Ein äusserst ausgewogenes Hörerlebnis, worin Die Berge sich meinem Empfinden nach deutlich von Geister oder Im Wald unterscheidet.
Zudem lässt PAYSAGE D’HIVER sich Zeit mit der Entwicklung der Stücke, setzt Klänge/Layer mit Sorgfalt und Bedacht, dass Schlüssigkeit über die gesamte Spieldauer erhalten bleibt. Unversehens wähnst du SELBST dich einher schreitend mit dem Geheimnisvollen. Was gerade eben Möckls Werk insgesamt auszeichnet: dass Musik am Subjekt resoniert, womit eine quasi intime Nähe entsteht.
Fazit: Die Berge stellt für mich den Höhepunkt von PAYSAGE D’HIVERs Schaffen dar. Einerseits obig ausgeführter Nähe wegen, andererseits, weil Zielhaftigkeit des Erzählbogens Stringenz erzwingt. Dazu noch gelingt Wintherr jene meisterhafte Verschränkung von Narrativ, Musik und Topografie, was Die Berge zum einmaligen Erlebnis macht.
Solltest du den Einstieg in des Wanderers Reise nie so richtig gefunden haben, stellt der vierzehnte und letzte Teil die optimale Gelegenheit dar.
Wertung: 4.5/5.0
Text: C. Sturzenegger
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