Grabungsbericht MMXXV.XII

Ein letztes Mal im MMXXV. Jahr raffte die HeAvYmeTaL.ch-Redaktion sich auf, um abzusteigen in modrige Grüfte einer Vollmondnacht. Wo musikalischer Artefakte zu Nachte gefördert wurden, von denen manche besser unentdeckt geblieben wären. Bei Kerzenschein auf den Seziertisch gelegt, setzten sie Skalpelle an und notierten mit klammen Fingern, wie ihnen widerfuhr...


AUF DEM SEZIERTISCH:

* HELSLAKT / Corruption 2.0
* CULT OF THE VOID / Shadows of Eschenberg
* ANTIVERSUM / De Nemesis Omnes et Omnia
* DARBEN / Karg
* IRR / Remains Remain
* KNÜPPELKNECHT / Swamp of Delirium (EP)
* I WON'T SKYE / Welcome to Madness
* TÚMULO / Evangelho Do Canhoto



HELSLAKT / Corruption 2.0 (Forges Productions, 28. Februar 2025)
von C. Sturzenegger

Ihr letztes Album Corruption erschien vor mehr als einer Dekade. Nächstes Jahr begehen HELSLAKT ihren Zwanzigsten. Von der ehemals fünfköpfigen Belegschaft sind gerade mal noch Drevsroth Ninhvarth und Nitverk Skoggath verblieben, wobei manche behaupten, dass weniger mitunter mehr bedeute. Beide kennen wir im Übrigen als Musikanten der Band EUKLIDEAN (siehe Bericht). 

Corruption 2.0 stellt sowohl Überarbeitung, Weiterentwicklung als Ergänzung des Vorgängers dar. Sieben Stücke sind darauf zu hören, deren Laufdauer zusammengezählt mehr als eine Stunde Lebenszeit ergibt. Hörerschaft wird mit zuweilen sperrigem Zweitgenerationen-BM konfrontiert, wobei doomig schleppende Parts wirbelnder Raserei Paroli bieten, respektive Becken schaffen. HELSLAKT gelingt es, Harmonie und Missklang aneinander zu wetzen, dass ebenjener Schwarzmetall entstehen kann, wo Licht und Dunkel sich zu Wirklichkeit verwebt. Insbesondere Gitarrenparts finden zu melodischer Leichte, kontrastiert durch Drevsroths kehlig rauen Vocals. Wunderbar!

Fazit

Mit Corruption 2.0 ist HELSLAKT ein Album gelungen, das eigentlich bloss als Vorgänger zum nächsten fungieren kann. Auch wenn Überlängen kaum zu Buche schlagen (am Allerwenigsten beim Zwanzigminutensong Helslakt and Abel), schadete andererseits die eine oder andere Komprimierung dem Gesamtwerk keineswegs. Auch wenn ich die rohe Kraft ihres Erstlings D'une Mélomanie Perverse Au Leitmotiv D'Helslakt durchaus vermisse, gefällt der eingeschlagene Weg des Duos aus La Chaux-de-Fonds. Jedenfalls sind wir gespannt aufs Jubiläumsjahr!   


[Wertung: 3.0/5.0]


CULT OF THE VOID / Shadows of Eschenberg (Independent, 23. Mai 2025)
von O. Huggenberger

Shadows of Eschenberg – das Debütalbum des Ein-Mann-Projekts CULT OF THE VOID – inspiriert von den Tiefen des Eschenbergwaldes bei Winterthur. Die ehemalige Industriestadt liegt im – während der Herbst- und Wintermonate – oft nebelverhangenen Mittelland, von Wäldern, Bächen und Weihern umgeben.

Die neun Songs bieten eingängigen Black Metal im Stil der frühen 90er Jahre: schrummende Gitarrenwände, Tremolo-Pickings, treibende Beats und frostig-kehlige Vocals. Der Sound ist melodiös und roh zugleich, in mittlerem bis hohem Tempo gehalten. Zwei Instrumental-Tracks weichen etwas vom Gesamtbild ab, was aber durchaus seinen Charme hat.

Fazit
Aparter Underground Black Metal aus den Schatten des Eschenbergs. Schaurig schön, melancholisch und naturverbunden – wirklich toll anzuhören! Vielleicht bei Kerzenschein? Bei Berggeflvster Records auch in ansprechender Vinyl-Ausführung erhältlich.


[Wertung: 3.5/5.0]


ANTIVERSUM / De Nemesis Omnes et Omnia (Amor Fati, 19. September 2025)
von O. Huggenberger

De Nemesis Omnes et Omnia – frei übersetzt: Über Nemesis und alles Seiende. Das zweite Album des Zürcher Projekts ANTIVERSUM hat sich dem Chaos entwunden – einzig um sich diesem abermals zu verschreiben. Ein Werk, das acht Jahre nach dem Release des Albums Cosmos Comedenti an dieses sowohl thematisch wie musikalisch anknüpft.

Mit der Verschmelzung von Death-, Doom- und Black Metal gelingt es ANTIVERSUM, eine besonders düstere und bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Mit fünf Longtracks (Pulsar Feralis, Scudo Nero, De Nemesis Omnes et Omnia, QBism und Vuoto) bringt es das Album auf beachtliche 55 Minuten Spieldauer – fünf Monolithe, die durch ihre massive, ununterbrochene Struktur den Kollaps des Kosmos beschwören. Solch lange Songblocks, die unerbittlich ohne wiederkehrende Elemente voranschreiten, um dann in Vehemenz zu kippen, mögen sich ungewohnt anhören. Doch auch Metal-Fans, die lieber eine abgerundete Strophe-Refrain-Form mögen, werden abschnittsweise echt starke Arrangements entdecken!

Fazit
Eine auditive Abstiegspassage in jene finsteren Abgründe, in denen Raum und Zeit sich gegenseitig verschlingen und die Leere das Nichts gebiert. Für Liebhaber*innen rauer, zerklüfteter Klanglandschaften von epischer Länge und kosmischem Pathos.


[Wertung: 3.5/5.0]


DARBEN / Karg (Berggeflvster Records, 1. Oktober 2025)
von O. Huggenberger

Karg – ein Debütalbum, entstanden aus Freundschaft, gesellschaftskritischer Haltung und der Faszination für das Rebellische im Black Metal. Hier haben sich zwei langjährig befreundete Musiker aus der Underground-Szene zusammengetan, um gemeinsam mit einem Gastschlagzeuger ihr Erstlingswerk einzuspielen. In einem langen Schaffensprozess entstanden, ist ihnen nun ein kohärentes Album gelungen.

DARBEN haben sich dem RABM verschrieben und machen keinen Hehl aus ihrer politischen Haltung: antikapitalistisch, antifaschistisch, antipatriarchal, feministisch und solidarisch mit FLINTA*. Die Songtexte klagen an und teilen aus – gegen oben, nicht gegen unten –, wohl bewusst, sich damit dem gesellschaftlichen Diskurs zu stellen. Die sechs Songs (Murgang, Hexenmal, Irrlicht, Narrenschiff, Permafrost und Mäander) plus ein Hidden Track kommen ganz in den Klangfarben der zweiten Welle des Black Metal daher: rau, minimalistisch und Atmosphäre schaffend – in zumeist schnellem bis mittlerem Tempo. Starke Sache!

Fazit
Ein solides, stimmiges Black-Metal-Album, gereift im Schweizer Underground. In dieser DIY-Produktion steckt Leidenschaft, die hör- und fühlbar ist. Auch auf Vinyl erhältlich, mit sehr ansprechendem Artwork. Die Texte zu lesen, lohnt sich! Etwas für deine Sammlung?


[Wertung: 3.5/5.0]


IRR / Remains Remain (Monastyr and Berggeflvster, 24. Oktober 2025)
von O. Huggenberger

Remains Remain von IRR – ein dicht produziertes Album in fetter Soundqualität: Black ’n’ Death ’n’ Metal pur! Nach dem Split-up von Forlet Sires ist nun IRR am Start. Nach einer Zwei-Song-Demo im Oktober 2023 folgt nun das Debütalbum der drei Musiker aus Winterthur: gewoben und vertont aus tremolo-getriebener Hoffnungslosigkeit und verheerenden Ausbrüchen von morbidem Chaos – so IRR auf Bandcamp.

Mit sieben Songs spielen IRR quer durch die Bereiche des Extreme Metal und konsolidieren dabei ihren ganz eigenen Stil: druckvolle, teilweise punkige Riffs, dynamische Beats und variantenreiche, mitunter groovende Basslines. Der zumeist erdig-heisere Gesang mit supertiefen Growls lässt einen die brennend bitterliche Hingabe an das Werk Remains Remain Track für Track erahnen.

Fazit
Wow – ein echt düsteres, aber eingängiges Album voller Melancholie und Atmosphäre. Dazu sehr abwechslungsreich und technisch versiert: schlicht Hammer! 


[Wertung: 4.0/5.0]


KNÜPPELKNECHT / Swamp of Delirium (Dying Victims Productions, 31. Oktober 2025)
von C. Sturzenegger

KNÜPPELKNECHT, der auch bei Ateiggär, Kvelgeyst, Ungfell und weiteren seine Hände im Spiel hat(te), veröffentlichte nach gut vier Jahren Pause seine zweite Solo-EP. Swamp of Delirium enthält (abzüglich Intro) drei Songs, die allesamt der Sparte Punk'Thrash’N’Black’N’Roll*** zuzuordnen sind. Einzelne Stücke gestalten sich angemessen abwechslungsreich, wobei dir nicht entgehen kann, dass einer da mit ungezügelter Begeisterung resp. Euphorie am Werk war. Die Produktion erinnert an Analogerzeugnisse der goldenen 80er, was dem Ganzen einen gewissen Charme verleiht. Mir jedenfalls gefällt die Mucke und ich freue mich auf (hoffentlich erfolgende) Livedarbietungen.

Fazit
Triple-R wie Rau, Roh & Rudimentär. Was willst du mehr?



I WON'T SKYE/ Welcome to Madness (Independent, 26. November 2025)
von C. Sturzenegger

I WON’T SKYE aus St. Gallen präsentieren auf Welcome to Madness eine Sorte episch-cineastisch angehauchten Metal, welche der Macher selbst als Gothic identifiziert. Die Stücke wirken durchdacht, stellenweise konstruiert, ohne jedoch sich in Komplexität zu verlieren. Ähnlich geschliffen kommt die Produktion daher, wiewohl technisch gerade gar nichts auszusetzen wäre.

Kurz, ein rundum solides Machwerk, welches all jenen empfohlen werden darf, die symphonischem Metal erstens mal nicht abgeneigt sind, zweitens sich möglicherweise gerade in einem harmoniebedürftigen Moment befinden.

Fazit
Welcome to Madness stülpst du dir während eines Nebelspaziergangs über die Ohren, wenn Wolken sich zu Gestalten formieren und Fantasie dich einholt. Was dem Album fehlt, ist Wiedererkennungswert, jenes irgendwie Spezielle, um es aus der Masse der Konkurrenz herausheben.


[Wertung: 3.0/5.0]


TÚMULO / Evangelho Do Canhoto (Caverna Abismail Redcords, 15. Dezember 2025)
von C. Sturzenegger

Gut drei Jahre nach Cristo Demente legen TÙMULO mit einem Longplayer nach, der sämtliche Eigenkompositionen ihres kultigen Demos als Neueinspielungen enthält. Das Cover von Evangelho do Canhoto ziert Michelangelos Die Erschaffung Adams, wobei quasi zeitgemässe Anpassungen vorgenommen wurden: Ein teuflisch beflügelter Adam zeigt dem potentiellen Erzeuger kurzerhand den Stinkefinger, was in etwa so zu verstehen ist, dass einer zuvorgekommen war. Wir ahnen, wer.

Doch schätzen wir TÚMULO ihres archaischen Sounds wegen und übergehen die Illustration. Denn inhaltlich kommen Death Vomit, Forhammer und Miasma unmissverständlich zur Sache. Während neun Songs (exklusive Intro/Outro) werden wir ungefiltert mit schwarztödlichem Thrash bedient, wie er während der zweiten Hälfte der Achtziger zelebriert worden war. Manche sprechen hier von Erstwellen-BM, was sich in einer gewissen stilistischen Offenheit veräussern mag. TÚMULO gelingt es optimal, Zeitgeist einzufangen und brettern von der ersten bis zur letzten Note gnadenlos glaubhaft durchs Repertoire. Sprich TRVE.

Fazit
Mal abgesehen vom eher uninspirierten Cover liefern die drei Zürcher ein äusserst hörenswertes Werk ab, welches durch nostalgisch anmutende Brachialgewalt überzeugt, spielerische Akzente setzt, vor allem aber grenzenlos Spass macht.


[Wertung: 3.0/5.0]



HeAvYmeTaL.ch hält sich an bewährte AMG-Skala, welche wie folgt transkribieren:

5.0 – Ikonisch
4.5 – Exzellent
4.0 – Hammer
3.5 – Sehr gut
3.0 – Gut
2.5 – Gemischt
2.0 – Klar in Richtung Enttäuschung
1.5 – Einfach bloss schlecht
1.0 – Traumatisch
0.5 – Lebensrettende Massnahmen erforderlich

(Produkte mit Wertung 2.0 und drunter schenken wir uns in der Regel. Solch ein Dasein hält schliesslich noch weitere Brocken bereit...)


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