Im Gespräch mit Eïs

Ostersonntag am Dark Easter Metal Meeting 2024: Trotz tropischer Verhältnisse in der Backstage-Halle gelingt es den Mannen von Eïs, die heimatlose Kühle des Albums Galeere adäquat rüberzubringen. Dass die Band noch dazu sichtlich Spass an der Darbietung hat, ist nicht zu übersehen... 

Mehr als zwei Jahrzehnte sind die Lutter hinuntergeflossen, seit Kreativkopf Alboîn die Band Geïst gründete. Aus urheberrechtlichen Gründen später in Eïs umbenannt, entstanden bis heute fünf Alben und zwei EPs. Von der ursprünglichen Besetzung ist Alboîn mittlerweile als einziger noch am Start. Ein Grund mehr, das Gespräch mit der gesamten Formation zu suchen und zu fragen,

  • welche Bedeutung das Album Galeere für die Beteiligten hat,
  • was Eïs von Genretrends hält und natürlich,
  • wie’s mit neuem Material bestellt ist.


Am Ostersonntag Punkt Eins treffen wir AlboînAbarusWylk und Stryx von Eïs in der Lobby des Holiday Inn in München. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde legen wir gleich los... 


CS: Welche Meilensteine sind in der Geschichte von Geïst/Eïs zu verorten? 

Alboîn: Von Meilensteinen kannst du eigentlich nicht sprechen, weil so eine Bandgeschichte halt einfach fließt. Es sind jetzt ungefähr zwanzig Jahre her. Da passiert es immer wieder, dass Menschen gehen, andere kommen. Was zählt, ist der aktuelle Moment. Deshalb gibt es auch kein Album, wo ich sagen würde, dass es das Allerwichtigste von allen war. Trotzdem: In den letzten fünf bis sechs Jahren sind wir zu einer wirklich toll funktionierenden Band zusammengewachsen, sowohl persönlich als auch musikalisch. Obwohl ich nichts von dem, was vorher passiert ist, entwerten will, ist das für mich bestimmt ein Highlight. 

Abarus: Ich unterstütze sehr, was Alboïn sagt. Wir haben uns gut zusammengefunden, eben nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich. Es macht einfach sehr viel Spaß zusammen.

Stryx: Wir stammen alle aus unterschiedlichen Gebieten innerhalb Deutschlands und kommen nur zu wenigen Proben zusammen. Trotzdem funktioniert die Band nicht nur als Viele-Leute-spielen-irgendwie-ihre-Instrumente-nebeneinander-Projekt, sondern es kommt jedes Mal ein wirkliches Bandgefühl auf. Wir spielen zusammen und hören alle sehr aufeinander. Ich glaube, es funktioniert gerade deswegen so gut, weil wir aufeinander hören.


CS: Alboîn, gibt es Momente, wo du…

Alboîn: …gerne mal jemanden umbringen wolltest? [lacht] Nicht innerhalb der Band jedenfalls! Oder was meinst du?

CS: Dass du gelegentlich korrigierend auf das Bandgeschehen einwirken möchtest, befürchtest, der ursprüngliche Eïs-Gedanke ginge verloren.

Alboîn: Das war, denke ich, früher oft der Fall. Das waren dann aber auch Musiker, die andere Prioritäten hatten. Es gibt halt Phasen, wo jeder mal einen Durchhänger hat, schlecht vorbereitet ist oder nicht ganz auf der Spur. Wo es ganz einfach nicht klappt, wenn du lediglich vor Shows mal probst. Was jedoch in unserer jetzigen Besetzung ganz und gar nicht der Fall ist: Wir treffen uns und jeder ist vorbereitet. Ich muss da gar nichts tun (was ich im Übrigen gar nicht will). Ich bin jetzt auch nicht mehr so ängstlich wie früher, dass ich zum Beispiel denke, es funktioniere so nicht. Ich habe echt großes Vertrauen.

Abarus: Das Schöne im Laufe der Jahre ist ja auch, dass das persönliche Verständnis füreinander gewachsen ist. So wie du sagst, es fließt und entwickelt sich im Laufe der Zeit. Da entsteht in und um eine Band auf ganz verschiedenen Ebenen immer was.


CS: Ihr alle habt zwanzig bis dreißig Jahre BM auf dem Buckel. Aus meiner Perspektive hat sich das Genre im Laufe der Zeit von sehr, sehr engstirnig in eine eher offene Richtung bewegt. Seht ihr das auch so?

Alboîn: Ja, es hat sich breiter gefächert. Auf jeden Fall. Das Komische aber ist: Wenn ich heute Sachen aus den Neunzigern höre, kann ich dir innerhalb von zehn Sekunden das Herkunftsland nennen, mit ein bisschen Glück noch den Namen oder das Album dazu. Damals klang jede Band halt noch sehr eigen, was ich zurzeit vermisse. Obwohl es mittlerweile eine größere Spannbreite an Stilen gibt, denke ich, dass viele Bands sehr ähnlich, sehr, sehr austauschbar klingen. Das liegt auch an den technischen Möglichkeiten. Du kannst ja heute im Alleingang bereits ein sehr gut klingendes Album aufnehmen. Auch wird dafür gesorgt, dass vieles vom Gefühl her sehr ähnlich klingt. Häufig fehlt mir ganz einfach die Magie an der Sache. Viel Neues ist unbestreitbar richtig toll gemacht, um einiges besser als früher natürlich, aber es fehlt ganz einfach der emotionale Faktor. Ist alles sehr verkopft, finde ich und künstlich aufgeblasen. Vieles an Trends kann ich nicht nachvollziehen. Wenn dann zum Beispiel alle plötzlich mit Geweihen daherkommen oder mit Roben und so, verstehe ich zwar, was dahintersteht, es macht die Musik für mich jetzt aber nicht interessanter.

Wylk: Ja, das kann ich so unterschreiben.

Abarus: Ich glaube dadurch, dass vieles einfacher umzusetzen geworden ist, hat sich der Identifikationspunkt von Musik und Resultat ein bisschen verschoben. Alles ist irgendwie technischer und unlebendiger geworden.

Alboïn: Es fehlt manchmal das Unperfekte, der Mut, etwas unperfekt zu lassen. Ich habe mich neulich mit einem Produzenten darüber unterhalten, wie Alben sich anfühlen, wenn sie dann mal fertig sind. Er hat gesagt: «Das ist nicht ‘ne Frage der Technik, ob ein Album sich anfühlt, als wäre es in den Neunzigern aufgenommen worden, sondern eine Frage des Mindsets.» Keiner würde sich heute mehr trauen, ein kaum editiertes Album mit ein paar Spielfehlern oder dünnem Gitarrensound rauszubringen. Früher hast du ein Budget gehabt, bist ins Studio gegangen, hast aufgenommen und dann war es halt so, wie es war. Heute kannst du dich jahrelang hinsetzen, jeden Snare-Schlag korrigieren und so weiter.

CS: Und dieser Versuchung könnt ihr widerstehen?

Alboîn: Also ich mache seit fünf Jahren Studioarbeit mit anderen Bands und ermutige die, auch mal zu sagen: «Mach's nicht zu perfekt!» Es fehlt einfach das Gefühl hinterher. Wenn Bands darauf bestehen, dass es mega fett klingen soll oder wer weiss wie programmiert, dann brauchen die ja eigentlich keinen Drummer mehr. David zum Beispiel ist jemand, der so perfekt spielt, dass du eigentlich nichts mehr editieren musst. Was ich halt echt geil finde, diese Grenze zu treffen zwischen menschlichem Spiel und trotzdem sauber zu sein.


CS: Gleich nachher spielt ihr euer Werk Galeere, welches 2009 veröffentlicht wurde. Wie kam es zu diesem Auftritt? 

Alboîn: Eigentlich war es ein Angebot von Seiten Dark Easter, selbst hatten wir das gar nicht so auf dem Schirm. Wir hatten bereits im Herbst hier gespielt und da kam halt die Idee eines Jubiläumkonzerts auf. Mehr steckt da eigentlich nicht dahinter. Wobei es eine schöne Sache ist, ein Album mal am Stück zu spielen. Unsere Alben verfolgen eigentlich alle die Idee, eben gerade Album zu sein und nicht Zusammenschnitt von Singles oder so. Was dann atmosphärisch natürlich besser wirkt, wenn du sie am Stück spielst. Wir haben auch entsprechende Bühnendeko und Kostüme dafür angeschafft.

CS: Roben?

Alboîn: [lacht] Ja genau. Und Anglerhüte. Geweihe...

CS:  Ausser Alboïn war keiner von euch bei den Aufnahmen des Albums beteiligt. Wie steht ihr dazu?

Stryx: Bei der 10 Jahre Galeere Show hatte ich bereits mitgespielt, da war ich noch gar nicht so lange in der Band. Ich freue mich sehr darauf, das Album live zu performen, weil ich es damals als Hörer stets sehr intensiv erlebt hatte. Das erste Mal dann überhaupt Stücke davon mitzuspielen, war ‘ne schöne Sache gewesen. Vor fünf Jahren machten wir zudem alle die Erfahrung, dass es sehr stimmig wirkt, dieses Album in Gänze zu spielen.

Alboîn: Für Stefan zum Beispiel ist es was Besonderes. Du bist, glaube ich, mit dem Album zur Band gekommen?

Abarus: Genau. So gesehen besitzt Galeere für mich einen hohen Stellenwert. Zu der Zeit, als es erschienen war, kannten wir uns persönlich noch gar nicht. Durch die ersten beiden Platten hatte ich die Band jedoch bereits auf dem Schirm, wie wir auch im E-Mail-Kontakt zueinander standen. Bei der Release Show in Hamburg dann war ich als Zuschauer in der Markthalle dabei. Weil ich das Album wirklich sehr, sehr schätze, ist es für mich eine wichtige Sache, es heute am Stück spielen zu können.


CS: Ist heute Abend eher eine Re-Interpretation von Galeere zu erwarten oder akribische Wiedergabe?

Stryx: Neu spielen wir auf der Bühne mit Klick. Das Album hat viele Temposchwankungen, die wir natürlich aber auch mitnehmen. Entsprechend wird nicht alles in einem Tempo gespielt. Bestimmte Passagen kommen dadurch etwas gerader daher, manche überraschend druckvoller als auf Galeere.

Wylk: Das Album wird heute ja von einer ganz anderen Band gespielt. Alboïn war damals als einziger bei den Aufnahmen noch dabei gewesen. 

Alboîn: Die Songs aber sind geblieben, wie sie sind.

CS: Sämtliche Arrangements sind demnach belassen worden?

Wylk: Genau. 

Alboîn: Was ich auf keinen Fall anders machen wollte. Wenn ich eine Show besuche, wo ‘ne Band ein altes Album spielt, dann will ich dieses halt möglichst nah an dem hören, was ich kenne und nicht völlig was anderes.

Abarus: Im Wesentlichen spielen wir das Album genauso, wie es geschaffen wurde. Ganz einfach präsentiert vom aktuellen Stand einer Band. Dieser Band. Ich denke, dass wir in den letzten Jahren auch live nochmals deutlich hinzugewonnen haben. 

Alboîn: Was wir heute spielen, wird auf jeden Fall näher an dem Album dran sein, als was wir damals live gemacht haben. Was die Durchsetzungsfähigkeit, das Druckvolle, aber auch die Professionalität angeht, wird es heute mit Bestimmtheit näher an dem dran sein. Sehr viel näher.


CS: Arbeitet ihr an neuem Material?

Alboîn: Es existiert neues Material und wir wollen alle auch vorwärts machen... Doch ist es halt immer eine Frage der Zeit, vor allem aber der Inspiration. Da wohl noch immer ich derjenige bin, der im Wesentlichen konzipieren würde, sammle ich verschiedene Ideen. Wohin das Album aber führen soll, ist noch unklar. In der Vergangenheit hatte ich jeweils eine klare thematische Vision. Wie es sich anfühlt, klingt, aussieht... Eine solche Vorstellung fehlt mir gerade und es ist ganz, ganz schwer, da den Absprung zu finden und zu sagen: «Fang jetzt mal damit an!» Es gibt ja Menschen, die anstatt Fernsehen zu gucken einfach Songs schreiben, das geht bei mir nicht. Wir lassen uns jetzt aber auch nicht stressen...

CS: Druck besteht ja im Grunde keiner…

Alboîn: Naja für mich schon. Auf mich persönlich übe ich natürlich Druck aus. Aber niemand in der Band und niemand außerhalb der Band sagt: «Du musst jetzt mal!» Was auch nicht cool ist, da entsteht nichts Gutes draus. Was ich auch nicht machen wollte. Es gibt bereits genügend Alben, die kein Mensch braucht, da müssen wir nicht noch eine drauflegen... [alle lachen]

CS: Vielen Dank für das spannende Gespräch und dass ihr euch die Zeit für HeAvYmeTaL.ch gestohlen habt! Wir wünschen euch einen superkreativen Prozess, vorher aber mächtig viel Spass auf der DEMM-Bühne!!! 



Das Interview fand am 31.03.2024 in der Lobby des Holiday Inn City in München statt.
Durchführung und Transkription: C. Sturzenegger


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