Attracted by Grunge

Nahuel Alegre (Lead Vocals und Gitarre), Facundo Morales (Bass, Vocals), Zeno D’Aulerio (Drums) und Wangel Darpoling (Gitarre und Vocals) von Attracted by Goats


Wir schreiben das Jahr 2018 und die Zürcher Band Atttracted by Goats ist im Begriff, ihr erstes Album zu veröffentlichen. Wie kam es zu diesem Release? Tomi von HeAvYmeTaL.ch traf Drummer Zeno zum Gespräch über Goats, Grunge und Geld.

Zürich zeigt sich von seiner kalten, nebligen Seite, als ich von Zenos WG-Wohnzimmer aus über den Schaffhauserplatz blicke. Welch passende Kulisse für die elf Songs von «Haze, Hope and Hell», dem Erstlingsalbum der Zürcher Grunge-Band Attracted by Goats, das aus den Boxen dröhnt. Warm und schwer lullt einen dessen Riffreichhaltigkeit ein, der Sound entfaltet sich, als wäre er selbstverständlich. Doch das ist er keinesfalls, weshalb die Frage nahe liegt: Wie kommt es zu diesem «Grunge by Goats» und was braucht es im Jahr 2018, damit so ein Album zustande kommt? Die Frage zum Entstehungsprozess macht Zeno nachdenklich. «Es braucht viel! Die Tatsache, dass wir alles selbst produziert haben, erscheint mir retrospektiv schon als recht eindrücklich – obwohl wir ja mit vier Jahren verdammt lange dran waren. Wenn man alles selbst macht, kann man dazu neigen, ständig alles neu und besser machen zu wollen.» Ist ein gewisser Perfektionismus sowie ein Beharren auf dem Feinschliff nicht Teil des Kreativprozesses, der ohnehin geprägt ist vom Oszillieren zwischen künstlerischem Anspruch oder gar Eitelkeit und einem plötzlichen «So, fertig jetzt»? Zeno erklärt: «Ja, nur zieht sich dann alles in die Länge. Vor drei Jahren zum Beispiel nahmen wir das Schlagzeug auf, dann die Gitarre, und so weiter. Als wir einige Monate später reinhörten und dachten, ’Hm, das klingt Scheisse’, nahmen wir alles neu auf. Zudem wurde das Studio renoviert, und die Songs veränderten sich im Laufe der Studioaufnahmen nochmals.»

Die Songs von Attracted by Goats, die sitzen. Den Titeltrack «Haze, Hope and Hell» kürt Zeno zu seinem Lieblingslied, und tatsächlich kann es als musikalische Visitenkarte fungieren, Vocals und Gitarren präsentieren sich in Höchstform. «Linear» hält, was der Name verspricht: Geradliniger Grunge, schnörkellos von Drums und schweren Bässen angetrieben. Verspielter und hymnischer breitet sich «Panther» aus, nistet sich mit hartnäckigem Ohrwurmcharakter ein, während es da und dort angenehm mit einigen psychedelischen Parts überrascht. Die Heavy Metal-Lastigkeit des Sounds erinnert selbstverständlich an Alice in Chains, den Grunge-Favoriten vieler Metalheads. Und wenn man es nach 1994 noch wagt, Grunge zu machen, muss man sich einen Vergleich mit den «grossen Vier» des Seattle Sound ohnehin gefallen lassen. Wie steht Zeno dazu?

«Die Nähe zu Alice in Chains ist evident; sie waren einer unserer grössten Einflüsse und die Weise, wie wir spielen, orientiert sich wie bei ihnen eher an Metal als Punk. Zur schweren und melancholischen Grundstimmung in dieser Art von Grunge fühlen wir uns alle musikalisch hingezogen.» In der Zitrone, einem gemeinnützigen Verein der sich für kulturelle Zwischennutzungen in urbanen Räumen einsetzt, fanden sie zusammen und kultivieren seitdem diese Neigung. Doch kaum war der schöpferische Teil abgeschlossen, kam der nächste Reality Check: «Was da alles an Arbeit auf einen wartet! Da kommt man richtig auf die Welt und sieht, wie sich das Musikbusiness verändert hat. Ich spiele seit 20 Jahren in Bands, aber so involviert wie bei Goats war ich noch nie. Ich war erstaunt darüber, in welchem Ausmass sich auch die alternative Musikszene neoliberalisiert hat. Das, was früher Musiklabels für die Bands erledigt haben, bieten nun Einzelne an, die alles Mögliche zum Geschäft machen und dafür Geld verlangen. In ein Album muss man richtig investieren.»

In Zeiten solch fundamentaler Veränderungen im Musikbusiness sind kulturelle Freiräume wie die Zitrone umso wichtiger, ebenso wie freiwilliges Engagement sowie Begeisterung für Musik. Darauf angesprochen, was Zeno der HeAvYmeTaL.ch-Community und Rock- und Metal-Szene in der Schweiz im Allgemeinen noch mit auf den Weg geben will, hält er fest: «Produktion und Marketing sollte man neben dem Kreativen nicht vernachlässigen.» Schon gar nicht in Zürich, wo Rockmusik seit jeher stiefmütterlich behandelt werde, obwohl dies besser sei als früher. Zum Schluss hält er fest: «Klar kann man eine externe Perspektive einholen und dafür bezahlen, aber für eine Band kann es vom Aufnahmetechnischen her auch für künftige Produktionen von Vorteil und ein Riesenlearning sein: Das Wissen, wie man von Grund auf ein Album macht. Know-How, Vorgehen, Ausrüstung – das alles haben wir uns nun erarbeitet. Deshalb wird es sicher nicht wieder Jahre dauern, bis wir mit Goats erneut ein Album rausbringen», verkündet Zeno. Als ich mich verabschiede und zurück in den Zürcher Herbstnebel trete, denke ich: Zum Glück. Möge der Grunge by Goats-Sound uns noch lange schwermütige Wärme spenden.


Attracted by Goats-Afficionados und Grunge-Fans aufgepasst: HeAvYmeTaL.ch verlost zwei Eintritte für die «Haze, Hope and Hell»-Album Release Party am 10. November 2018 in der Photobastei Zürich! Wenn du an der Verlosung teilnehmen willst, dann beantworte folgende Frage: Welcher der «Seattle Four» fühlen sich die Zürcher Attracted by Goats am ehesten verbunden? Schreib uns via Mail: wettbewerb@heavymetal.ch


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