Ein Rückblick aufs Meh Suff 2023
Das Meh Suff Metal-Festival 2023 ist bereits wieder Geschichte. Bei sommerlichen Temperaturen frönte die stets getreue Gefolgschaft den Klängen klassisch-extremer Metallmusik. Oder aber gab sich kulinarischen Leidenschaften hin (was zumeist in Flüssigform geschah).
Ein Rückblick aufs Meh Suff 2023.Mit wahrer Spielfreude meistern Heathen Heretic ihr Set und manch eine/r wird die jungen Zürcher um Sängerin Viola auf seine Liste setzen. Vorgängige Befürchtungen, als Freitags-Opener bloss gelegentliches Kopfschütteln zu ernten, erfüllen sich keineswegs. Im Gegenteil wächst das Grüppchen vor der Abschrankung im Verlauf zu einer beachtlichen Menge an und bezeugt, was eigentlich jede/r schon weiss:
Die noch jungen Zürcher sind auf bestem Weg!
Kaum ein Jahr brauchten Bedrängnis, um sich ins Gedächtnis der lokalen Allgemeinheit zu spielen. Ihr Album Die Bürde die wir tragen hat entsprechend Hand und Fuss. Auch wenn die qualitative Nivellierunge nicht über die gesamte Albumlänge gehalten werden kann, sind einige Hammertracks drauf, die klar Lust auf mehr machen.
Ihr Meh Suff-Set kommt mehr als gut. Dem Zweierkisten-Groove entwächst eine Art Intimität, was der Interpretation ihres tendenzielll depressiven BMs eine überaus authentische Note verleiht. Mehr jedenfalls wäre weniger, auch wenn wenn Aeshma auf der «grossen» Meh Suff-Bühne teils doch etwas verloren wirkt. Drummer Fuath seinerseits hält durch sein präzises, dynamisches Spiel die Songs zusammen und sorgt für gehörig Drive.
Wir erleben einen überzeugenden Gig der Thurgauer, die zumindest ich nicht zum letzten Mal live gehört haben werde.
Constraint spielen akzentuierten, riffbasierten Thrash’n’Black Metal mit Reminiszenzen an gute alte Vorbilder, welche du natürlich alle kennst. Die Vocals kommen griffig rüber, zweifelsohne kennt Sänger Steff seine Qualitäten respektive nutzt diese, was für die Instrumentalisten im Übrigen genauso gilt. Dass die Songs funktionieren, hörst du vor allem live und was will man mehr an einem sonnigen Freitagnachmittag?
Ein vielversprechender Auftritt.
Ursprünglich als Finalizer des ersten Festivaltages gedacht, spielen Mortal Factor nun bei Tageslicht und passen – jetzt mal ehrlich – nicht (mehr) so recht in den Spannungsbogen der Running Order hinein.
Mit Herzblut jedoch präsentieren die Jungs ihr (sagen wir mal) coroneskes Set, was nach anfänglichen Unsicherheiten durchaus solide daherkommt und zugegeben Spass macht.
Blutspiel eröffnen den Samstagsreigen, was so gerade passt. Die Oltner präsentieren ein breites Spektrum an Songs, was von rockig bis BM-lastig gerät. Zuweilen denkst du an jene Lindemann-Band (Rhythmisierung, Songaufbau), dann wieder ploppt zum Beispiel der Begriff Kanonenfieber hoch. Aber wer weiss?
So oder so, Blutspiel steigern sich von Song zu Song in die nachmittägliche Meh Suff-Stimmung hinein und dürfen letztlich von einem gelungenen Auftritt sprechen.
Die mittlerweile-Zürcher liefern ein routiniertes Set ab, abgerundet durch eine Art Growl-Duett, was irgendwie witzig daherkommt. Der Auftritt zeichnet sich aus durch präzise gespieltes Instrumentarium und insgesamt stimmige Songs. Vielleicht ZU stimmig? Die Protagonisten dürften bei diesem Sound durchaus kraftvoller und publikumsnaher daherkommen. Auf Platte jedenfalls klingt das Ganze vielversprechend.
Fazit? Gerne auf einen zweiter Versuch in einer etwas kleineren Location.
Dass A.Tlemati heuer zum letzten Mal mit Malphas auf der Bühne steht, erfährst du auf den üblichen (quasi-) sozialen Kanälen. Also lies es gleich selbst.
Dass mit Malphas altgediente Routiniers auf der Bühne stehen, hast du vorher schon gewusst, wiewohl sie mit Flesh, Blood & Cosmic Storms eine ambitionierte Scheibe hingelegt haben, deren Wirkungsgrad über die Landesgrenzen hinauszeigt.
«Soundgewitter» notiere ich mir und lasse es gleich so stehen. Vor allem Songs, die mir auf erwähnter Platte irgendwie zu eingängig rüberkommen, entpuppen sich live als absolute Brecher. Malphas bestechen durch solides Gitarrenwerk, tierische Drums plus ebenjene Frau, die heuer ihren Ausstand liefert. A.Tlemati, die zumindest ich zum ersten (und eben auch letzten) Mal live miterlebe, deren Erscheinung unweigerlich in ihren Bann ziehen vermag durch Präsenz, die nicht vor der ersten Reihe Halt macht. Du nimmst es ihr ganz einfach ab: das Böse, die Wut, und ohne Zweifel passt sie knopfgenau ins Schema Malphas, denen die Verpflichtung einer würdigen Nachfolgerin mehr als zu wünschen ist. Verdient haben sie es alleweil!!!
INTERNATIONALE BELEGSCHAFT (EXEMPLARISCH)
Wartest du lange genug, «karussellieren» bestimmt auch Legion of the Damned (ehem. Occult) mal wieder daher. So ein Drehteil hat eben auch sein Gutes. Weshalb den Niederländern der Einzug ins kollektive (Metal-) Bewusstsein eigentlich nie so richtig gelungen ist, bleibt meinerseits Rätselwerk. Nebst einer Reihe wirklich guter (bis mehr als ordentlicher) Studioalben feiern sie fulminante Liveauftritte, die du keineswegs vergisst. Geradeso am heurigen Meh Suff, wo sie mit ihrem messerscharfen, extremauthentischen Trash’n’Death Metal der Spitzenklasse Hirnmassen chirurgisch fein in Scheiben zersäbeln, dass anschliessend gleich jede/r wieder ein Bier braucht. Du weisst schon.
Karussell jedenfalls dreht weiter und weiter, während unsereiner gnädigst sich in Geduld übt.
Über Sólstafir lässt sich bekanntlich streiten. Wer jedoch drauf und dran ist, der Meh Suff Programmation Eintönigkeit zu unterstellen, sollte sich gerade jetzt nicht beklagen. Denn immerhin wagen die Herren aus Island den Versuch, aus gewohnten Mustern auszubrechen und präsentieren balladenreichen (-überladenen?) Post-BM, der alles in allem gut ankommt und gefallen mag. Sänger Aðalbjörn gibt sich publikumsnah, schüttelt Hände, klopft Rücken und balanciert recht wacklig auf dem Sperrgitter, dass es eine Freude ist. Bei den vielen eher gemütlich-langgezogenen Passagen einzelner Songs hat er auch alle Zeit der Welt dazu.
Eine perfekte Begleitung jedenfalls für das etwa dreizehnte Bier im Festzelt mit Blick auf die Bühne... Zusammen mit schlafenden, hart betrunkenen Metalheads.
Wie eine Band wohl klingen mag, die sich Brutal Sphincter nennt? Während Kollege C.S. sich auf eine Wanderung zum nahegelegenen Aussichtsturm Altberg begibt, finde ich mich vor der Bühne mit gerade 2-3 anderen Fotografen ein. Das Interesse scheint sich nicht nur bei mir in Grenzen zu halten. Mit Krachern wie «Marc Dutroux National Hero», «Analhu Akbar» und «Unvaxxed Lives Matter» wirbeln und hüpfen sich die Belgier durch das Set. Ihr Goregrind/Death Gemisch scheint bei den anwesenden Metallern ganz gut anzukommen: Leicht angedüselt rennen geschätzt 200 Partytiger/innen ums Festivalgelände und lassen den grössten Circle Pit des Festivals entstehen. Die Spielfreude ist definitiv da. Bassist Germain «Spermain» Bodeus jumpt in die Menge und legt sich mitsamt Bass und Equipment auf dem Rückweg beinahe auf die Fresse.
Viel Spass, wenig Substanz, so lässt sich der Auftritt der Belgier wohl am schlüssigsten zusammenfassen. Erwartungen demnach vollends erfüllt.
Den «König des Feuers» muss man regelmässigen Meh Suff Besuchern kaum mehr vorstellen. Das Bandkarussell, hier meistens im Wechsel mit Rotting Christ, macht 2023 wieder im Nahen Osten halt. Was in diesem Fall auch gut so ist. Melechesh hat sich in der Suppe des Blackmetals eine gewisse Eigenständigkeit geschaffen. Mystische Atmosphäre und orientalisch angehauchte Riffs, zusammen mit der Dynamik der einzelnen Songs geleiten das Meh Suff Publikum in die Abendstunden hinein. Das von Fronter Ashmedi zitierte «Heavyness is not necessairly speed and noise» trifft auch auf diesen Auftritt zu 100% zu. Was die Band eben auch ausmacht. Auf den obligaten Weihrauch muss Open Air leider verzichtet werden, gebracht hätte es eh nicht viel.
Ein toller, beherzter Auftritt alter Meh Suff-Hasen!
PS: Melechesh braucht übrigens eure Hilfe! Aufgrund unvorhergesehener Komplikationen bei den Aufnahmen des mittlerweile siebten Studioalbums sei das Budget der Band aufgebraucht und eine Veröffentlichung zurzeit nicht möglich. Wer sich keinen Flyer für den Fundraiser am Festival geschnappt hat, kann über die offizielle Seite per Paypal oder Überweisung (www.melechesh.com) der Band helfen, den neuen Output auf die Menschheit loszulassen. Nach den letzten, qualitativ SEHR hochstehenden Veröffentlichungen kann es sich nur lohnen!
Mit Watain hat das Meh Suff Komitee einen dicken Fisch an Land gezogen. Die Schweden zelebrieren Black Metal schwärzester Schule. Meine Wenigkeit konnte mit den vorletzten zwei Alben (The Wild Hunt, Trident Wolf Eclipse) jedoch eher wenig anfangen. Die Wucht und Kompromisslosigkeit von Lawless Darkness (2010) verwässerte sich. Zum Glück hat Watain sich mit dem letzten Album wieder etwas fangen können.
Zurück aber zum Auftritt: Eine halbe Stunde Aufbauzeit ist knapp. Zig Bühnenhelfer wirbeln umher, um pünktlich starten zu können. Als der fackeltragende Sänger Erik Danielsson die Bühne betritt und das Höllenfeuer der Dreizacke entzündet, ist die Nacht vorbei. Watain legt extrem viel Wert auf die visuelle Umsetzung ihres Konzepts, zig Gasflaschen im Backstage Bereich sprechen hier Bände. Die Geruchsbelästigung hält sich jedoch im Gegensatz zu früheren Konzerten in Grenzen. Verrottende Tierkadaver sucht man vergeblich und auch rituelle Handlungen werden nicht mehr so zelebriert. Ein Kelch Blut in die Masse zum Schluss muss reichen. Irgendwie fehlt bei der Show der letzte Funke, der mich in Ekstase versetzte.
Fazit? Gut gemacht, gut gespielt, optisch gut. "Gut" halt. Für mich dennoch eine klitzekleine Enttäuschung.
Die grünen Männchen sind im Anmarsch! Zumindest wenn man nach ein paar Bierchen die Meh Suff Flugdrohne nicht mehr von einem UFO unterscheiden kann. Der Tunnelblick in Richtung rotgetauchte Bühne wird jäh unterbrochen, als mich bei Eraser der erste Crowdsurfer äusserst knapp verfehlt. Die Mannen um Peter Tägtgren wissen halt wie’s geht. Die Setlist zieht sich durch den gesamten Backlog der Band und lässt nichts aus. Ein Zeichen, dass Hypocrisy quasi ihr eigenes Erbe respektieren, was ich mir für manch andere Band genauso wünschen würde.
Nach der Ankündigung, dass vorerst keine weiteren Aktivitäten und Konzerte mehr geplant seien und dieser Auftritt für längere Zeit der letzte sein soll, schwingt natürlich auch ein wenig Melancholie mit. Erst recht nach dem Song Final Chapter, der mich genau wie vor fast 20 Jahren noch immer jedes Mal umhaut und mit einer Intensität sondergleichen in die Massen geprügelt wird. Unglaublich!
Nach dem eher laschen Auftritt von Watain ein wahrlich verdienter Headliner.
FAZIT
Nebst ohrenbetäubendem Lärm kommt dem Meh Suff die Bedeutung eines Ortes unzähliger sozialer Kontakte zu. Manche flüchtig Schlange stehend, andere wortwörtlich bis übertragen bierernst, dass Hegel gerne mal für eine angesagte Band gehalten wird oder aber Watain für einen Philosophen der Antike, ähm «antikischen Filosofen».
Dass ein solcher Anlass in totaler Zufriedenheit verläuft, erscheint Aussenstehenden unbegreiflich, erst recht, wenn sie sich die Mühe nehmen, all die Shirts zu entziffern und zu übersetzen.
Seien wir stolz auf unsere kleine Community und schwelgen in Freude aufs nächste Mal in garantiert demselben Kontext…
(Text : P. Weber & C. Sturzenegger, veröffentlicht am 17.09.2023)
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