GRABUNGSBERICHT MMXXV.I

Heuer auf dem Seziertisch:

* NAPHORA / Moonlit Nightfall
* PALEFACE SWISS / Cursed
* KLAW / Gods And Creators
* TREPHINING / Cranial Offerings
* I, DELUSIONIST / Ex Anima
* HOLZERHURD / Wunderland
* TYRMFAR / Symbiosis


NAPHORA / Moonlit Nightfall (Independent, 2. Januar 2025)

von P. Weber

Melancholie aus der Schweiz! Naphora? Wahrscheinlich den wenigsten ein Begriff. Kein Wunder: Das One-Man-Projekt von Simon Brandt aus Bern existiert erst seit 2023 und bringt mit Moonlit Nightfall nun sein erstes Album an den Start - nach einer Demo und zwei Vorab-Singles. Beim ersten Durchlauf fällt eines sofort auf: Das ist so ein Zwischending. Für klassischen Melodic Death Metal geht’s hier stellenweise zu gemächlich zu. Dafür steht die Stimme ganz klar im Doom -monoton, fast schon stoisch, aber genau dadurch perfekt passend zur durchgehenden Melancholie der Musik. Keine Spielereien und unnötiger Schnickschnack. Die Stärke liegt in der Atmosphäre: Schöne, durchdachte Melodien ziehen sich durch die Songs, und das Songwriting überrascht mit mehr Abwechslung, als man zunächst erwarten würde. Paradebeispiel: der Opener Shadows of Darkness - starker Einstieg! Was Moonlit Nightfall noch fehlt? Der eine oder andere Moment, der wirklich hängen bleibt. Ein Ausreisser, ein Aha-Moment - irgendwas, das auch nach dem letzten Ton im Kopf nachhallt. Aber das ist Kritik auf höherem Niveau.

Fazit: Vielversprechender Erstling mit klarer Handschrift. Da darf gerne mehr kommen - und gerne auch mit einem kleinen Knall zwischendurch.


[Wertung: 3.0/5.0]


PALEFACE SWISS / Cursed (Blood Blast Distribution, 2. Januar 2025)

von P. Weber

Paleface Swiss. Irgendwo hab ich den Namen schon mal gehört, krieg’s aber beim besten Willen nicht mehr zugeordnet. Die vier Jungs aus Zürich scheinen jedenfalls ordentlich durchzustarten – mit ihrem „Self-Declared Deathcore“ haben sie nicht nur einen dicken Deal mit Blood Blast Distribution (Nuclear Blast) am Start, sondern auch solide Social-Media-Reichweite im Rücken. Zeitgeist? Check. Musikalisch fühlt man sich bei Songs wie "Hatred" oder "Youth Decay" sofort in die gute alte Iowa-Ära von Slipknot zurückversetzt. Eine Prise Korn dazu – fertig ist der aggressive Nostalgie-Trip. Das ist druckvoll, das ist laut, aber eben auch ziemlich klar auf dieser einen Schiene unterwegs. Viel bleibt davon leider nicht hängen. Mit "Enough?" schleicht sich zur Halbzeit sogar noch ein bisschen Rap ins Klangbild. Überraschung? Jein. Frisch? Vielleicht. Enough? – Enough! Kurzweilig? Ja, mit knapp über 30 Minuten Spielzeit geht die Scheibe irgendwie dann doch gut durch. Positiv erwähnenswert ist auch Marc Zellweger's Clean-Stimme. Trotzdem: Das alles klingt einfach zu oft nach "schon mal (besser) gehört".

Fazit: Unterm Strich für mich keine Glanztat – solide, aber nicht aussergewöhnlich. Genre-Fans dürfen aber ruhig noch einen Punkt drauflegen.


[Wertung: 2.5/5.0]


von C. Sturzenegger

Von Underground kann bei PALEFACE SWISS kaum mehr gesprochen werden. Womit der Druck steigt, möchte man denken…

Auf Cursed scheinen die Zürcher alles richtig zu machen, vor allem aber bleiben sie bewährter Rezeptur treu. Deathcore gewandete Nu-Metal Atmosphäre in diversen Spielarten könnte man es nennen. Oder auch ganz anders.Im Vergleich zu den Vorgängeralben Fear & Dagger (2024) und Chapter 3 (2020) findet Anlehnung an ein breiteres Publikum statt, was sich zum Teil in rockigen Nummern oder aber eingängigen Refrains äussert. Gleichzeitig jedoch kommt die Wut jener beiden Machwerke deutlich abhanden, was eine (wie ich meine) allzu differenzierte Produktion noch unterstreicht. 

Fazit? Mit Cursed liegt ein stilistisch breit gefächertes Album vor, welches handwerklich mehr als besticht. Vor allem Vokalist Zelli beweist, dass er Genrekollegen locker das Wasser reicht. Andererseits hinterlässt das Album einen geschliffenen, nahezu anbiedernden Eindruck. Jene Faust aufs Auge Mentalität vergangener Tage weicht womöglich zugunsten ambitionierter(er) Ziele.  


[Wertung: 3.0/5.0]

KLAW / Gods And Creators (El Puerto Records, 7. Februar 2025)

von C. Sturzenegger

Seit 2017 stehen KLAW für Thrash der retrospektiven Sorte. Mit Gods And Creators liegt nach gut sechs Jahren ein zweiter Longplayer vor, der mit knapp 45 Minuten Länge zu Buche schlägt.

Während elf Tracks werden wir mit technischem «Bay Area meets Alpenland» Thrash der feineren Sorte bedient. Präzise Riffs, ausgeklügeltes Melodienwerk sowie intelligentes Schlagwerk (inklusive Bass) werden komplettiert durch Friedlis raue, facettenreiche Vocals. Dazu noch eine gleichwohl saubere wie druckvolle Produktion, die alles unter einen Deckel bringt. Was der Scheibe hingegen fehlt, ist Griffigkeit. Den Songs gelingt es nicht so recht, hängenzubleiben, wofür es die irgendwie memorable Hookline bräuchte. Oder den einen oder anderen Refrain, der ganz einfach nicht aus dem Kopf zu kriegen ist. 

Fazit? Gods And Creators hört sich als durch und durch authentisches Machwerk, welches Genreliebhabern wärmstens ans Herz gelegt werden muss. Sich bleibend festzusetzen gelingt dem Werk jedoch nur stellenweise, beispielsweise beim herausragenden Titelsong Gods And Creators.


[Wertung: 3.0/5.0]


TREPHINING / Cranial Offerings (Independent, 13. Februar 2025)

von P. Weber

Selten so hart mit einer Schreibblockade gekämpft wie bei diesem (zum Glück kurzen) Review – und das bei einer Band, die einem eigentlich, ganz Album-Cover-Like, direkt den Schädel aufbohren will. Trephining aus Zürich hauen mit ihrer ersten Full-Length auf Hexenkult (dem kleinen ZH-Label, Heimat u.a. der noch obskureren Koldun – siehe unser Review HIER) ordentlich in die Fresse. Death Metal ist hier die sowas wie der Oberbegriff, und das Cover verspricht nicht zu viel: Eine wahnsinnige Zombie-Schädel-Handbohrmaschinen-Front wütet auf dich ein, als gäbe es kein Morgen. Die ersten 2 Tracks schleppen sich noch etwas zäh aus dem Grab, aber mit „Skinned Alive“ gibt’s dann endlich mal ein wenig Bewegung im Leichensack. Frontfrau N grunzt, gurgelt und schreit ohne viel stimmliche Spielerei, dafür mit genug Wucht, um die Friedhofsmauer einzureissen. Das meiste passiert im Midtempo – solide, wuchtig, manchmal aber doch etwas stumpf, aber nie so, dass man zum Skip-Button greift. Die ganz grossen Nackenbrecher und Glanzpunkte fehlen zwar, dafür gibt’s konstanten Druck auf die Gehörgänge. Unterm Strich rumpelt Cranial Offerings ganz gediegen brutal, modrig und ohne Gnade aus den Boxen. Live dürfte das Teil noch ein paar Rippen mehr brechen als im Studio.

Fazit: Wer es roh, unpoliert und kompromisslos mag, kann hier getrost den Schädel hinhalten. Ein rostiger Bohrer – aber garantiert ohne filigranen Feinschliff.


[Wertung: 3.0/5.0]


I, DELUSIONIST / Ex Anima (Independent, 27. Februar 2025)

von C. Sturzenegger

Mit Ex Anima liefern I, DELUSIONIST ein feines Scheibchen ab. Fünf Songs, von vorne bis hinten eloquent arrangiert, durchdacht strukturiert, dazu noch technisch einwandfrei ausgeführt.

Das Ergebnis lässt sich in der Deathcore Ecke verorten, jenes M-Wort gleich vornan geschoben. Sprich Melo-Deathcore, aber sag’s nicht weiter. Auf jeden Fall beweist das Basler Quintett grosses Geschick darin, Gegensätzlichkeiten stimmig zu verweben, dass Hörerschaft im Grunde recht gelassen durch die Tracks blastet, ohne auch nur ansatzweise aus der Balance zu geraten. Den Harmoniebedürftigen unter uns dürfte dies zusagen, andere monierten womöglich fehlende Sperrigkeit. Jedenfalls verstehen die Musiker ihr Geschäft sowie Produktion im oberen tipptopp-Bereich anzusiedeln ist. 

Fazit? Ex Anima kann als grundsolides Machwerk gehört werden, gleichzeitig (jedoch) stellt es ein Stück Musik dar, welches quasi Zeitgeist widerspiegelt. Die EP präsentiert sich als ausgewogene All-In-One Lösung, wo (erstens) kompromisslose Härte (zweitens) episch gewandet (drittens) in melodiöser Sensibilität Verschränkung findet, dass vor lauter Amalgam der «innere Drang» schwer nachzuvollziehen bleibt. Entsprechend mangelt es dem Machwerk (bei grossem Potential) letztlich an Glaubwürdigkeit.


[Wertung: 3.0/5.0]


HOLZERHURD / Wunderland (Independent, 21. Juli 2025)

von C. Sturzenegger

HOLZERHURD ist dort, wo der 32er in einem feinen Schläufchen seine Destination erreicht - nachdem er vom gegenüberliegenden Rand der Stadt mitten durchs Zürichs Herz gefahren war. Vorbei an Verwehtem, Verwehendem, zu Verwehendem. Doch hören wir mal rein.

Zwei dissonante Gitarren, die miteinander in Rhythmus geraten. Ein Schlagzeug, welches sich hinzubequemt. Wohinein quasi-Sprechgesang in einer Art Leck mich Attitüde mündet, dazu noch in Mundart. Was zumindest mich an jenen skurrilen (Robert) Vogel erinnert, der 1979/80 Zürichs Musikleben so oder so bereichert hatte. Jedenfalls denkst du zuallerletzt an Schwarzmetallisches, sondern an von mir aus abgelöschte Jugendkultur. Doch steigert sich die Angelegenheit, dass wir wortwörtlich in Irre geführt werden. Vocals kreischen gequält, Gitarren schrammen und der Track heisst Atlantik. Wie Familienferien am Atlantik, wo da und dort verlassene Bunker noch in Wäldchen hocken, darinnen Geister der Vergangenheit. Auf vier Tracks besingen HOLZERHURD die Normalität des Schreckens resp. Schrecken der Normalität, was im Grunde dasselbe sei, Vorzeichen kavaliersmässig mal ausser Acht gelassen. 

Fazit? Wunderland verdient sich redliche vier Punkte, was erstens damit zu tun hat, dass HOLZERHURD sich nicht einreihen in die Garde jener, die zum Beispiel nordische Kälte bei fünfunddreissig Schattengrad verkaufen, zweitens ich bei Ostrand bloss zum Fenster rauszuschauen brauche, um zu antizipieren, Mittelland sonst so kenne und In den Schlagen eine nachbarschaftlich sich abspielende Zwölfminutenapokalypse darstellt. 

Agglonautic Black Metal bringen die Zürcher ihre Musik auf den Punkt. Was gibt's da noch zu ergänzen?


[Wertung: 4.0/5.0]


TYRMFAR / Symbiosis (WormHoleDeath, 28. März 2025)

von C. Sturzenegger

Seit 2013 gelten TYRMFAR als Qualitätsgarant für melodischen Blackened Death Metal und mehr. Zehn Jahre nach ihrem Erstling In the Depths of a Dark Spirit und drei Langrillen scheint es wieder einmal Zeit für eine EP geworden zu sein. Schaust du dir die Tracklist genauer an, handelt es sich um bereits 2024/25 erschienene Einzelstücke. 

Das Walliser Quintett weiss, wie Songs geschrieben werden, die aufs Ohr passen. Melodienwerk. Architektur. Zusammenspiel. Sowie technisch an keiner Stelle etwas auszusetzen ist. Erhabene Blastbeat Sturmgewitter, die wütend Täler hinunterrasen, dazu Délèzes Organ, welches von teuflischem Kreischen nahtlos in erdige Growls morpht, dass es eine Freude ist. Mehr kann Hörer/in sich beileibe nicht wünschen! 

Dennoch. Da und dort kommt diese schon-einmal-gehört Gefühl auf, wo du dann einhakst und querzudenken beginnst. Beim Eröffnungsstück Pilgrimage Of Oneness erinnern Tonfolgen beispielsweise stark in Richtung AARA - oder war's doch anders gewesen? Zudem ähnelt Rezeptur der Stücke sich in einer Weise, dass du den Spannungsbogen schnell mal raushast. Weisst, wie’s losgeht, wo Atem geholt wird plus, dass anschliessend es erst so recht wieder abgeht. Hier wünschte man sich dann doch den einen oder anderen Überraschungseffekt.

Fazit? Symbiosis stellt eine Ansammlung strukturell ähnlicher Einzelstücken dar – und will auch so gehört werden. Darauf eingelassen, erwartet dich ein kurzweiliges, genreübergreifendes Hörerlebnis, welches Körperschaft wegbläst, wo auch immer sie sich zu tummeln beliebt.


[Wertung: 3.0/5.0]


HeAvYmeTaL.ch hält sich an die bewährte AMG-Skala, welche sich wie folgt transkribiert:

5.0 – Ikonisch
4.5 – Exzellent
4.0 – Hammer
3.5 – Sehr gut
3.0 – Gut
2.5 – Gemischte Gefühle (schliesslich haben auch wir welche...)
2.0 – Bittere Enttäuschung
1.5 – Einfach bloss schlecht
1.0 – Traumatisch
0.5 – Unhörbar

(Produkte mit Wertung 2.0 und drunter schenken wir uns. So ein Menschenleben hält schliesslich noch andere Brocken bereit...)


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