MYSTIC FESTIVAL / Tag III

Um Reste von Seele baumeln zu lassen, streifen wir vormittags durch  Gassen Danzigs, geniessen Sonne am Kanal und betrachten jede Menge Wiederaufgebautes. Was dir den Museumsgroove bescherte, lüden nicht unzählige Beizen und Lokälchen zum Trunk. 

Später auf dem Gelände gesellen wir uns zu DARK TRANQUILLITY, welche beileibe nicht zum ersten Mal erlebt werden. Ihr Auftritt gerät wie gewohnt professionell, nahezu abgeklärt. Ein Set, welches Erwartungen zwar rundum erfüllt, Aha-Effekte jedoch vermissen lässt.

Insgesamt kommen mir die Sounds auf dem Gelände bedeutend lauter vor als an vorherigen Tagen, was daran liegen mag, dass Sättigungsgrenze allmählich erreicht worden ist. Im Pressezelt siehst du eine Galerie müder Gesichter: Das ganze Herumgerenne zollt seinen Tribut. 

Seit '82 bewegen DEATH ANGEL das Thrash Geschäft und gehören zur oberen Elite der Big Eight. Nach drei phänomenalen Alben jedoch war die aufstrebende Karriere der Kalifornier aufgrund tragischer Ereignisse ins Stocken geraten. Dennoch rappelten sie sich (wiederholt) auf und beweisen nach wie vor, dass sie zu den wenigen gehören, denen der ursprüngliche Groove nicht abhandengekommen ist. Um garantiert nichts anbrennen zu lassen, sitze ich mit gut 20 Minuten Vorlauf im Pit und lausche dem Backstage-mässigen Warmspielen der Amis. Ihr Konzert dann eröffnen sie mit Mistress Of Pain vom The Ultra-Violence (1987) Album, anschliessend brettert das ebenso starke Voracious Souls aus den Boxen. Was für Opener! Auch wenn die Alben Act III und Frolic Through The Park in der Folge schmählich missachtet werden, erleben wir Thrash wie aus dem süssbitteren Leben gerissen. Halt nix vergilbter Postkartendings gemäss ehrwürdigem Kollegium mit Greisenkomplex, sondern hineingewachsen ins (zugegeben nicht viel bessere) einundzwanzigste Jahrhundert. Ein Gig zum Einrahmen!

Auf dem Weg zur Mainstage schlendere ich an VADER vorbei und knipse das eine oder andere Bild. Im Graben jedoch herrscht Dichtestress, dass in guter Entfernung an einen Baum gelehnt die bessere Option darstellt. Wobei es mir je länger je weniger gelingt, herzhafte Gähner zu unterdrücken. Zu VADER fehlt irgendwie emotionale Verbundenheit, denke ich, doch Obacht hier in Polen, wo Peter absoluten Kultstatus geniesst! 

Meine Kollegen finde ich unter Dach vereint mit Blick auf Main Stage, welche soeben für APOCALYPTICA spieltauglich gemacht wird. Die  schwedischen Cellisten hatte ich vor einer gefühlten Ewigkeit mal in kleinem Rahmen erlebt, danach irgendwie vergessen (wie man vieles vergisst). Jedenfalls freue ich mich darauf, METALLICA Songs mit auf den Punkt gespielten Drums zu hören. Dass die Jungs dann gleich mit Ride the Lightning loslegen, lässt Metalheart hüpfen (oder so). Gleichnamiges Album stellt schliesslich deren letztes wirklich gute Album dar. Der Soundmix der Streicher wirkt zu Beginn recht klinisch abgemischt, bessert sich mit der Zeit jedoch, wie auch das Publikum mehr und mehr in Euphorie gerät. Fans und Nichtfans bangen, grölen und spreizen Finger, vor allem aber werden sämtliche Texte aus kollektivem Gedächtnis  lautstark intoniert. Mit Seek & Destroy gelangen wir viel zu schnell an den Zenit des Konzerts, um mit One gekonnt abgerundet entlassen zu werden. Zugegeben, ein unerwartet mitreissender Gig!!!

Gleich im Anschluss drängelt die Menge in Richtung Park Stage, um BLOOD FIRE DEATH keinesfalls zu verpassen. Quorthons BATHORY musikalische Ehre zu erweisen, ist in letzter Zeit in Mode gekommen. Heuer in Form einer Supergroup Darbietung, für die alleine sich der Weg vor die Bühne lohnt. Musiker von WATAIN, AURA NOIR, MAYHEM, EMPEROR plus ENSLAVED reflektieren ausschliesslich jene Kultalben, welche heute noch als Matrizen gelten. Das Spätwerk wird ausgelassen. Ein höllischer Gig, der mit gebührender Wucht und Rauheit vonstattengeht. Das Publikum tobt zu Recht, Bühne steht in Flammen und wer zur Reflektion noch halbwegs fähig ist, kommt nicht umhin, Forcebergs Werk Respekt zu zollen. 

SEPULTURA bilden den Abschluss eines bislang mehr als gelungenen Festivals. Gleichzeitig handle es sich (im Übrigen) um ihre Abschlusstournee, doch wissen wir nur zu gut, wie sowas kommen kann... Ihr Set eröffnen sie mit Beneath The Remains vom gleichnamigen Album,  Inner Self wird als nächstes angespielt. Eine klare Ansage! Die Ami-Brasilianer hauen weg, was noch wegzuhauen ist und quetschen letzte Kraftreserven aus einem willigen Publikum. Wir erleben ein überraschend aggressives, powervolles Set, gespickt mit Songs und Refrains, die dereinst Adoleszenz begleitet hatten. Als am Ende Roots Bloody Roots aus den Lautsprechern dröhnt, ist Welt für mich total okay, wobei es andern genauso zu gehen scheint. 

Im Pressezelt verabschiedet man sich, tauscht Kontakte aus und verspricht so einiges. Grossen Dank (gleich noch einmal) an Beata und Crew für Gastfreundschaft und jede Menge Vitamin C!!!

Auf dem Weg zum Hotel noch die Zapiekanki Episode sprich Hüngerchen gestillt. Dass hier in Polen mit Sätzen wie «As hot as possible» mit Vorsicht umgegangen werden will, hätte von vornherein klar sein sollen. Dennoch schmeckt's, wenn auch nachhaltig. Kollege CL, unser zweite Fotograf vor Ort, gäbe hierzu wohl gerne noch einen Kommentar ab...




WEITER ZU...

MYSTIC FESTIVAL / WarmUp MYSTIC FESTIVAL / Tag 1 MYSTIC FESTIVAL / Tag 2 MYSTIC FESTIVAL / FAZIT



Text: C. Sturzenegger / Fotos: C. Sturzenegger & C. Lienhard


HeAvYmeTaL.ch ist ein gemeinnütziger Verein, der die Schweizer Metalszene nach Kräften unterstützt. Falls du einen Beitrag leisten willst: Von der eigenen Mitgliedschaft bist du DIESEN EINEN KLICK entfernt.

Verspürst du gar Lust, dich redaktionell zu betätigen, schreibst du uns am besten.


Fotos

Death Angel

Apocalyptica

Sepultura

Dark Tranquillity